Weilheim · Lenningen · Umland

„Das einzige Rathaus mit Biergarten“

Premiere Klein, aber fein: Die erste Veranstaltung im neuen Jesinger Rathaus bestreitet Andreas Kenner mit einem humorvollen Programm. Von Günter Kahlert

Andreas Kenner macht Kabarett im „Biergarten“ vor dem Jesinger Rathaus.Foto: Günter Kahlert
Andreas Kenner macht Kabarett im „Biergarten“ vor dem Jesinger Rathaus. Foto: Günter Kahlert

Das war eine gelungene Premiere. Zum ersten Mal hat der Jesinger Ortsvorsteher Christopher Flik den Veranstaltungsraum „Lindach“ im neuen Rathaus für ein „Event“ geöffnet. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Die Glastüren wurden aufgemacht, auf dem kleinen Platz davor Bierbänke und -tische aufgestellt, das alles direkt an der renaturierten Lindach. Tolle „Location“, würde man neudeutsch sagen. Dazu Andreas Kenner, ansonsten SPD-Landtagsabgeordneter und Stadtrat, mit seinem Programm „Kenner trinken Württemberger - wie gut helfen Wein, Weib und Gesang tatsächlich gegen die Demenz?“ Er verpackt ein sehr ernstes Thema in einen fast schon provokativen Programmtitel. Demenz und Humor, wie passt das zusammen? Andreas Kenner hat in seiner Laufbahn als Altenpfleger festgestellt: „Menschen, die 24 Stunden am Tag mit Dementen leben, verkraften das nur mit Humor.“

Und so ist sein Programm eher eine Ermunterung für die pflegenden Angehörigen und für alle anderen ein Anstoß, die Perspektive zu wechseln. Das alles verpackt in einen vergnüglichen Abend, eine eigentlich wilde, aber raffinierte Mischung aus Erfahrungen mit Dementen, Kuriositäten der großen Politik und der kleinen Lokalpolitik und Stadtgeschichte.

Passend zum Programmtitel kommt auch der Gesundheitswahn nicht zu kurz. „Ich kannte eine Frau, die hat mit 88 aufgehört zu rauchen und ist ins Fitnessstudio gegangen. Ich habe mich gefragt: Warum?“, schildert er launig. Oder: „Wir wollen alle gesund sterben“. Das Thema Wein kommt natürlich auch nicht zu kurz. „Im Oberamt Kirchheim gab es mehr Wein als Streuobstwiesen“, erzählt er augenzwinkernd, „die Lateinschüler bekamen drei Viertele Rotwein am Tag, deshalb war ADHS damals auch unbekannt. Da sollte man mal drüber nachdenken.“ Natürlich wieder ein Lacher, aber keiner versteht es moralinsauer als Plädoyer für den Alkoholismus, sondern eher als humorvolle Anregung, nicht alles so verkrampft zu sehen. Andreas Kenner will gar nicht politisch korrekt sein. Die Menschen lachen, nicken, können die Dinge nachvollziehen. Keine Frage: „Anne“ Kenner ist ein Unikat. Er weiß das, und die Besucher genießen es.

Ein Beispiel noch aus dem Kuriositätenkabinett der Kommunalpolitik: Andreas Kenner fragt die Oberbürgermeisterin, warum man an den Tagen, an denen kein Markt ist, nicht über den Marktplatz fahren darf. Antwort: „Weil die Leute nicht erkennen können, ob Markt ist.“ Stutzen, staunen, lachen. Typisch Kenner, als er schildert, dass bei den Alemannen-Funden via DNA-Analyse festgestellt wurde, dass sie bereits Cannabis kannten oder besser gesagt: „gekifft“ haben. Seine Schlussfolgerung: „Wenn die jetzt auch noch rauskriegen, dass wir den Reggae erfunden haben, sind wir ganz vorn!“ Ob Anne Kenner da immer historisch präzise ist, sei dahingestellt. Er ist auf jeden Fall höchst unterhaltsam. Dass nur 90 Prozent seiner Storys stimmen, erzählt er schmunzelnd seinen Zuhörern.

Der vergnügliche Abend vor dem Jesinger Rathaus ist auch ein Beleg für den Gemeinschaftssinn in der Kirchheimer Teilgemeinde. Es kamen mehr Leute als erwartet, also holt der Ortsvorsteher höchstpersönlich noch Gläser vom Musikverein schräg gegenüber, die zusätzlichen Stühle werden aus der Kirche nebenan geholt. Der Abend vor dem Jesinger Rathaus macht Lust auf mehr. Der erst 24-jährige Ortsvorsteher Christopher Flik hat dazu auch klare Vorstellungen: „Es wird garantiert hier noch mehr ‚Feschtla‘ geben.“ Andreas Kenner brachte es in seiner Begrüßung auf den Punkt: „Das ist das einzige Rathaus mit Biergarten.“ Die Jesinger - oder „Iasenger“, wie sie selber sagen - wird’s freuen. Sie gelten den diversen „Feschtla“ nicht als abgeneigt - um es mal zurückhaltend zu formulieren.