Dettingen. Ende des Jahres möchte der Deutsche Bundestag über eine gesetzliche Regelung zur Sterbehilfe entscheiden. Für Michael Hennrich Grund genug, im Vorfeld noch einmal mit Ärzten, Theologen und der Öffentlichkeit über die Frage zu diskutieren. Schließlich wird es eines der Gesetze sein, die jeden potenziell betreffen, sei es als Patient, Angehöriger oder in irgendeiner Funktion der Sterbebegleitung. Klar ist auch, dass dies in die tiefste persönliche Ebene aller Beteiligten eingreift. Kein Wunder, dass im Bundestag mehrere Gesetzesvorschläge dazu vorliegen und der sonst übliche Fraktionszwang aufgehoben wurde.
Hennrich machte deutlich, dass es in der bevorstehenden Bundestagsentscheidung um die Frage geht, ob und in welcher Form Beihilfe zum Suizid gesetzlich geregelt werden soll. Bei der Beihilfe zum Suizid unterstützt beispielsweise ein Arzt oder Angehöriger den Patienten, indem er ihm etwa eine tödliche Dosis Tabletten besorgt, die der Patient dann aber selbst einnimmt. Dies stellt derzeit einen rechtlichen Graubereich dar, bei dem die ärztliche Tätigkeit mit dem Strafrecht oder dem ärztlichen Berufsrecht kollidieren kann. Im Gegensatz dazu steht die passive Sterbehilfe, bei der am Patienten keine lebensverlängernden Maßnahmen vorgenommen werden, wie es etwa beim Vorliegen einer entsprechenden Patientenverfügung der Fall ist. „Wir reden aber auch nicht über aktive Sterbehilfe, bei der der Arzt dem Patienten beispielsweise selbst eine tödliche Spritze verabreichen würde. Dies bleibt nach wie vor verboten“, stellte Hennrich klar. Die Gesetzesvorschläge spiegeln die Vielfalt der Meinungen in der Bevölkerung wider. Während einige Abgeordnete dies generell verbieten wollen, fordern andere ganz im Gegensatz eine weitgehende Freigabe. Andere wiederum sind differenzierter und wollen die Beihilfe zum Suizid nur in Ausnahmefällen zulassen. Einig sind sich alle, dass sie gewerbsmäßige Sterbehilfe ablehnen, auch wird der Wille deutlich, zu verhindern, dass die Patienten in solchen Fällen zu Sterbehilfevereinen gehen müssen.
Auf dem Podium wurde die Schwierigkeit des Themas deutlich. Prälat Ulrich Mack von der evangelischen Landeskirche und Pfarrer Veeser stellten die Frage, wie weit das Selbstbestimmungsrecht des Menschen gehen soll und beklagen vor allem den nachlassenden Zusammenhalt in den Familien. Klaus Baier, Allgemeinarzt und Palliativmediziner sowie Präsident der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg machte deutlich, dass es sehr unterschiedliche Meinungen in der Ärzteschaft zu diesem Thema gibt. „Unser Hippokratischer Eid verpflichtet uns, Leben zu erhalten und nicht zu vernichten.“ Dementsprechend hat der Deutsche Ärztetag auch die Beihilfe zum Suizid als ärztliche Tätigkeit abgelehnt. Baier befürchtet, dass eine Öffnung der Sterbehilfe Druck auf die Ärzte ausübt, dies dann auch vorzunehmen. Professor Georg Marckmann, Ethikprofessor aus München, hält dagegen, dass in anderen Ländern die Einführung der Sterbehilfe nur zu sehr wenigen Fällen geführt hat. Er mahnt vielmehr an, den Willen von „zum Tode verzweifelten Menschen“ zu respektieren. Zudem sei der Wunsch nach Sterbehilfe keineswegs nur bei älteren, sondern auch bei jüngeren Menschen vorhanden. Moderator Norbert Metke, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung und selbst viele Jahre als Arzt tätig, stellte klar, dass der Wunsch nach Sterbehilfe im ärztlichen Alltag an die Ärzte herangetragen wird und sich die Ärzteschaft diesem Thema daher nicht verschließen kann, gleichwohl aber einen sicheren rechtlichen Rahmen benötigt. Von allen Beteiligten gefordert wurde ein Ausbau der Palliativmedizin und der Hospizversorgung.
Es wird spannend werden, wie die Entscheidung im Bundestag ausgeht. Michael Hennrich hat sich selbst noch nicht festgelegt, wie er abstimmen wird.