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Das „Regio-Rad“ ist noch kein Erfolgsmodell

Verkehr Das Leihradsystem wird weniger genutzt als erhofft, in Plochingen steht das Angebot auf der Kippe. Von Karin Ait Atmane

Kreis. Rund 25 Leihfahrräder, mit und ohne Elektromotor, sollten in Plochingen über Regio-Rad normalerweise verfügbar sein. Das ist die Theorie, in der Praxis sind es oft deutlich weniger. Was auch damit zu tun hat, dass die Nutzer mit den Rädern in andere Orte fahren. Aber der Plochinger Gemeinderat ist insgesamt nicht zufrieden, weder mit der Nutzung noch mit der Leistung des Anbieters Regio-Rad.

„Die Performance von Regio-Rad“ werde auch beim Verband Region Stuttgart, der die Leihradstationen finanziell unterstützt, kritisch gesehen, sagte Bürgermeis­ter Frank Buß. Fünf Regio-Rad-Stationen gibt es in Plochingen, zwei davon – in den Lettenäckern und auf dem Stumpenhof – finanziert die Stadt, wobei der Verband Region Stuttgart 50 Prozent des Defizits trägt. Eine weitere Station ist beim Sportmarkt Decathlon und wird von diesem getragen, die Standorte am Bahnhof und in der Eisenbahnstraße werden vom Betreiber DB Connect finanziert.

Diese beiden sind die am stärks­ten genutzten Standorte in Plochingen. Das geht aus der Statis­tik hervor, die Thomas Lehr, der Umweltbeauftragte der Stadt, dem Ausschuss für Bauen, Technik und Umwelt vorlegte. Sie kamen von Januar bis Oktober 2023 auf jeweils mehr als 600 Entleihungen – ein Vielfaches der Zahlen an den anderen Plochinger Stationen. Die Erklärung dafür ist einfach: Es sind vor allem die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des S-Bahn-Betriebswerks, die die rund 700 Meter vom Bahnhof zu ihrem Arbeitsplatz mit den Leihrädern zurücklegen. Deutlich seltener fährt jemand in die Lettenäcker, auf den Stumpenhof oder zu Decathlon. Daran ändert auch die Möglichkeit, ein Pedelec zu nehmen, nichts. Ebenso halten sich die interkommunalen Fahrten in Grenzen, hier liegt Wernau als Ziel vorne, gefolgt von Esslingen.

Thomas Lehr sah zwar in den Zahlen einen Aufwärtstrend, überzeugend fanden den die Ausschussmitglieder aber nicht. Man sehe „ein bisschen Licht, aber ziemlich viel Schatten“, meinte etwa Ralf Schmidgall (CDU). Das System funktioniere auf der Ebene, aber nicht bei Steigungen, was er auch auf die Qualität der Räder zurückführte: „Auf dem Sattel will niemand den Berg hochfahren.“ Auch Dagmar Bluthardt (SPD) fand die Zahlen eher enttäuschend: „Ohne Förderung können wir es komplett vergessen.“ Von Nutzern kann man hören, dass geliehene Räder teilweise defekt seien.

 

Ein Grund für die Probleme: Personalmangel

Den holprigen Start erklärte Thomas Lehr auch mit Auswirkungen von Corona und Personalmangel beim Anbieter DB Connect. Das habe dazu geführt, dass die Räder weder ausreichend gewartet noch schnell genug neu verteilt wurden. Der Umweltbeauftragte sprach auch Vandalismus an, sei es in Form von Beschädigungen, sei es durch wildes Abstellen oder gar Wegwerfen der Leihräder. DB Connect hat der Stadt wegen der Ausfälle 2022 einen beachtlichen Teil ihrer Kosten zurückerstattet. Lehr würde angesichts der leichten Aufwärtstendenz und fehlender Alternativen Regio-Rad noch eine Chance geben – die Ausschussmitglieder nahmen den Bericht zur Kenntnis, wollen aber auch Optionen wie die Verlegung von Standorten prüfen. Die vorzeitige Vertragskündigung schlossen sie nicht aus. Sie wäre spätestens im März auf Ende Oktober möglich. Ansonsten verlängert sich der Vertrag und würde erst 2026 neu ausgeschrieben.

Bereits gekündigt hat die Gemeinde Hochdorf. Dort waren seit 2021 an zwei Stationen, in der Ortsmitte und im Gewerbegebiet beim Supermarkt, Regio-Räder stationiert. Nachdem die acht Pedelecs und zwei Fahrräder im ersten Jahr insgesamt nur 22 Mal ausgeliehen wurden, verabschiedete sich die Gemeinde wieder von den Leihrädern. Als Hintergrund nennt sie ähnliche Gründe wie die, die auch in Plochingen festgestellt wurden: Immer wieder seien wegen Vandalismus und wegen der Personalnot beim Anbieter wenig Räder verfügbar gewesen. Ein weiterer Grund sei, dass direkt benachbarte Gemeinden überwiegend nicht an das System angeschlossen seien und damit entsprechende „Anknüpfungspunkte“ fehlten.