Weilheim · Lenningen · Umland
Den Bäumen auf der Spur

Hobby Bei Jochen Riehles Holz-Skulpturen ist die Natur sein Wegweiser. Bekannt ist der Gammelshäuser auch durch den dortigen Skulpturenweg. Von Sabine Ackermann 

Entdeckt man im Wald einen Mann, der einen Blick in eine Baumhöhle riskiert, dann kann es durchaus Jochen Riehle sein. Wahrnehmen, lokalisieren, erkennen, bearbeiten: Was früher als Zielfahnder sein Job war, macht er heute genauso akribisch bei heimischen Hölzern.

Unterwegs in der Natur, interessiert das ganze Ökosys­tem Baum: Äste, Stümpfe, Wurzeln – Totholz mit Charakter, das seine Geschichte hat. Erst wenn sein naturbelassenes Fundstück krumm, befallen oder wurmstichig ist, also unvollkommen, keimt in ihm seine Motivation, mit Schnitzeisen, Stechbeitel und Schleifpapier in akribischer Feinarbeit etwas Schönes mit Botschaft zu gestalten. „So wenig wie möglich und so viel wie nötig. Ich versuche, das von der Natur Erschaffene zu erkennen, herauszuholen und umzusetzen“, hebt Jochen Riehle hervor und bekräftigt: „Ich bin nur der Geselle und richte mich nach Form, Struktur und Dynamik meines Findlings.“

 

Ich bin nur der Geselle und richte mich nach Form und Dynamik meines Findlings.
Jochen Riehle
über seinen künstlerischen Ansatz
 

Bewegte er sich früher im Dunstkreis der Kapitaldelikte, lässt er nun mit sensiblem Feinschliff Erfahrungen, Gegebenheiten und Erlebtes in seine Skulpturen einfließen, die stets frei von Ecken, geraden Linien oder scharfen Kanten sind.

Der 72-Jährige, der für sich keinesfalls den überstrapazierten Begriff Künstler verwendet, sich vielmehr als Werkschaffender sieht, möchte mit seinen Arbeiten den „Blickwinkel des Betrachters mobilisieren“, um damit die Neigung der Menschen, „alles gleicher machen zu wollen“, aufzubrechen. Geprägt von seiner wertschätzenden Haltung gegenüber der Natur, stellt der kreative Feingeist tagtäglich fest: „Kein Baum und auch kein Mensch ist gleich. Unser ganzes Leben hat mit dem Blickwinkel zu tun“, betont Jochen Riehle, der unter anderem in seinen Exponaten wie „Im Gespräch“, „Der Überflieger“ oder „Burn Out“ darauf aufmerksam macht.

„Autodidakt auf ganzer Linie, nix studiert, nix g’lernt, Polizist, zwei linke Hände“, so beschreibt sich der gebürtige Freiburger, der „als fauler Schüler, aber guter Sportler“ in unmittelbarer Nähe einer Zimmerei mit Schreinerei aufgewachsen ist. Als Jungspund hat er das dort Entstehende geradezu aufgesogen, irgendwann Krippen gebastelt und Wurzeln gesammelt, die es wert waren, und sich peu à peu das Handwerkliche angeeignet. „Allein der Geruch, einfach gigantisch“, schwärmt Jochen Riehle. Gehasst habe er hingegen, bis auf den Sport, Schule samt Lehrer. Seine Verdienste lagen in der Leichtathletik und im Fußball, wo man ihn auch förderte. Um nicht ein Jahr zu parken, verließ er das Internat „mit null Plan, wie es weitergehen soll“, so der Badener, und er erinnert sich: „Sitzenbleiben war damals verpönt, da galt man als Aussätziger.“ Da für seinen Vater Nichtstun keine Option war, ging er mit 17 Jahren zur Polizei, weil er laut Arbeitsamt hinsichtlich seiner sportlichen Leistungen dafür prädestiniert sei und dort eh Not am Manne herrschte.

Jochen Riehle machte zahlreiche Stationen durch, von der Streife kam er zum Spezial-Einsatz-Kommando, bekämpfte bei der Kripo in Kirchheim zehn Jahre lang die Drogenkriminalität und war bis zum Ruhestand Zielfahnder im In- und Ausland.

Plötzlich Rentner, was nun? Zog es den Hauptkommissar a. D. einst der Liebe wegen nach Gammelshausen zu Anita Hummel, ploppte wieder seine „hölzerne“ Liebe auf – das Gestalten von Skulpturen. Er und seine Tochter Verena bilden ein kreatives Gespann, indem sie einige seiner Werke mit dezent eingearbeiteter Tiffany-Glaskunst wie zufällig in eine einzigartige Originalität verschmelzen lassen. Ehefrau Anita Riehle ist laut ihrem Ehemann „unsere größte Kritikerin, die aber alles managt“. Extrovertiert bis in die Fußspitzen, ist es Jochen Riehles Ding, mit den Menschen in den Dialog zu treten – sei es bei seinen Ausstellungen oder bei seiner Führung durch den „17 700 Zentimeter langen Skulpturenweg“ entlang des Baches, der 2015 eröffnet wurde.

Wer Interesse an einer Führung hat, kann anfragen unter jochenrie1@gmx.de