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Den Flächenverbrauch eindämmen

Zukunftsfrage Der Kreisverband der Grünen lud zur Diskussion über den aktuellen Stand am Dettinger Hungerberg ein. Es ging auch darum, wie mit dem Wunsch nach immer mehr Baufläche umzugehen ist. Von Iris Häfner

Wir wollen uns über den Flächenfraß - freundlicher ausgedrückt: den Flächenverbrauch - in der Region Stuttgart am Beispiel Hungerberg in Dettingen unterhalten“, begrüßte Grünen-Kreisvorstand Gerhard Härer die Gäste bei einer Online-Veranstaltung. Die Kreis-Grünen haben dabei auch die geplanten Straßenverbreiterungen wie beispielsweise die B 27 von Aichtal bis zum Echterdinger Ei im Blick, ebenso neue Wohngebiete durch vereinfachte Bebauungsplanverfahren und neue Gewerbegebiete. Den Grünen ist bewusst, dass die Kommunen dies zur Finanzierung ihrer eigenen (Pflicht-)Aufgaben brauchen. „Und dann kommt bei der Regionalversammlung plötzlich die Idee auf, ein über 40 Hektar großes Gebiet aus dem regionalen Grünzug herauszunehmen, damit ,vorsichtshalber‘ ein Gewerbegebiet - für wen auch immer - ausgewiesen werden kann, sollte der Bedarf irgendwann bestehen“, wundern sich die Kreis-Grünen.

Dies bestätigte Ingrid Grischt­schenko von der Grünen-Fraktion im Verband Region Stuttgart. „Das soll ein Silbertablett werden. Wenn die zeitaufwendige Planung fertig ist, kann man die Fläche interessierten Firmen sofort zur Verfügung stellen“, sagte sie. Das ist einer der Punkte, der die Bürgerinitiative Hungerberg auf den Plan gerufen hat. „Man weiß nichts Genaues. Es ist eine große Unbekannte, die da rumschwebt - irgendwas mit Zukunftstechnologie. Die Bürger sollen also die Katze im Sack kaufen“, kritisierte Manfred Häfele.

Industrieproduktion im 24-Stunden-Betrieb und Logistik seien bei dieser Größe unvermeidbar, was Immissionen und mehr Verkehr bedeute - auch wenn die ursprünglich geplanten 42 Hektar auf 21 geschrumpft sind. Auch weil die Mehrheit im Dettinger Gemeinderat denkbar knapp für das Vorhaben ist, hat sich die Bürger- initiative Hungerberg gebildet. „Es war eine Stimme mehr. Und die kam vom Bürgermeister“, sagte der Sprecher. Die Initiative sammelte weit über das geforderte Maß hinaus Unterschriften für ein Bürgerbegehren (wir berichteten). Somit gibt es einen Bürgerentscheid.

Birgit Sienz vom Ortsvorstand der Grünen in Kirchheim leitete die Diskussionsveranstaltung und sagte: „In Kirchheim gab es erst jetzt mehrere Unwetter mit extremen Überschwemmungen. Seit Mittwoch vergangener Woche kämpfen wir mit dem Hochwasser, insbesondere in Ötlingen, wo ich wohne. Ich habe das Gefühl, die Wettersituationen lösen sich nicht mehr so schnell auf, weil die Jetstreams einrasten. Wir bekommen den Klimawandel hautnah zu spüren.“ Das hat nicht zuletzt mit den versiegelten Flächen zu tun. Die Bundesregierung will deshalb bis zum Jahr 2030 den Flächenverbrauch auf unter 30 Hektar pro Tag verringern. Derzeit sind es 56 Hektar, was fast doppelt so viel ist.

„14 Prozent der Fläche in Deutschland sind versiegelt. In Stuttgart und im Landkreis Esslingen kommen wir auf 24 Prozent. Das sind 170 Prozent gegenüber dem Durchschnitt - und ein erstes Alarmsignal. Wir sind bereits jetzt über das Ziel hinausgeschossen“, lautet das Urteil von Manfred Häfele. Derzeit erreiche Dettingen die 14 Prozent gerade so, werde aber in nächster Zeit weit darüber hinaus liegen. „Unabhängig vom Hungerberg wird der Flächenverbrauch eklatant vorangetrieben mit weiteren Baugebieten wie in den Unteren Wiesen oder bei der ehemaligen Gärtnerei Diez“, sagte Manfred Häfele.

Dass der Hungerberg von der Regionalversammlung überhaupt für ein Industriegebiet freigegeben wurde, verwundert ihn sehr. Der Stellenwert des Gebiets für das Grundwasser werde hoch bewertet, ebenso für die Kaltluftströmung und die damit verbundene Reinigungsfunktion sowie weiteren Parametern, was sich in einem Gutachten bezüglich der ICE-Trasse gezeigt habe. „Landschafts- und Naturschutz hat am Hungerberg schwuppdiwupp für die Region keine Bedeutung mehr. Das ist ein Wortbruch zu dem, was die UN, die Bundes- und Landesregierung fordert“, erklärte Manfred Häfele.