Weilheim · Lenningen · Umland
Denkmalgeschützte Orgel erklingt dank Muskelschmalz

Konzert Organist Leonard Hölldampf hat der denkmalgeschützten Orgel in Weilheim mit Hilfe zwei gestandener „Orgelbuben“ einmalige Töne entlockt. Von Ulrich Kernen

Unter dem forschen Motto „Männer, Muskeln und Musik“ hat in der Peterskirche in Weilheim ein Orgelkonzert der besonderen Art stattgefunden. Auf der denkmalgeschützten Orgel von Johann Andreas Goll musizierte der Kirchenmusiker und Organist Leonard Hölldampf. Die Stiftung Peterskirche Weilheim hatte zu diesem einmaligen Konzert eingeladen. Der Organist musizierte, wie es zur Entstehungszeit der Orgel 1795 möglich war und bis ins 19. Jahrhundert praktiziert wurde. Die späteren elektrisch getriebenen Ventilatoren zur Tonerzeugung waren ja noch nicht erfunden. Die Luft, „der Wind“, für die Orgelpfeifen musste damals mit Muskelkraft produziert werden, indem von zwei Balgtretern, Kalkanten genannt, die Keilbälge bewegt wurden, solang der Organist spielte.

Leonard Hölldampf hatte für dieses Konzert zwei Kalkanten gewonnen, die im Inneren des Instruments, wie früher die Orgelbuben, die noch vorhandenen Bälge bewegten. Über eine Leiter kletterten Jürgen Hildebrandt und Jochen Ziegler, zwei gestandene Herren aus dem Kirchengemeinderat, zu ihrem „Arbeitsplatz“ tief im Inneren der Orgel. Auf ein Signal des Organisten begannen sie mit der „Winderzeugung“. Der mit Muskelkraft erzeugte „lebendige Wind“ ist im Gegensatz zu den modernen Ventilatoren frei von motorischen Vibrationen und Verwirbelungsgeräuschen. Je nach Geschick der Balgtreter, die rechtzeitig und gleichmäßig treten mussten, konnte man das „Atmen der Orgel“ hören und kleine Ungleichmäßigkeiten wahrnehmen.

Lunge der Orgel erklingt

Pfarrer Matthias Hennig begrüßte mit verhaltenem Stolz die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer zu einem „klimaneutralen Orgelkonzert“. Mit vier Werken von Johann Sebastian Bach begann es und man lauschte diesmal besonders genau, ob man den lebendigen Klang aus der „Lunge der Orgel“ wahrnehmen konnte. In gemessenem Tempo und mit klarer Artikulation ging der Organist Präludium und Fuge C-Dur BWV 547 an. Das kräftige Prinzipal–Register verlangte gleich zu Beginn tüchtigen Einsatz der Helfer im Hintergrund. Die Fuge in diesem Doppelwerk gehört zu den monumentalsten ihrer Art. Hier war natürlich gewaltige Ausdauer gefordert… In den drei folgenden Bachschen Orgelchorälen konnte man den Farbenreichtum dieses alten Meisterinstruments bewundern. Raffiniertes Umspielen der Choralmelodie in vielfältiger Weise machte diese Kunstwerke zu etwas Besonderem – ob die Balgtreter im Hintergrund das auch merkten? Zwei Toccaten von Johann Jakob Froberger ermöglichten dann freieres Spiel, am Ende war eine leichte Trübung zu erkennen – war da eine Pause für die Kalkanten fällig?

Der Organist bot in einem kenntnisreichen Vortrag eine orgelbautechnische Würdigung. Die Weilheimer können stolz sein auf dieses einmalige alte Instrument – und dass es auch noch so herrlich klingt, sei schon ein kleines Wunder. 

In der folgenden Sonate d-moll „Vater unser im Himmelreich“ von Felix Mendelssohn Bartholdy erwies sich der Komponist einmal wieder als einer der besten Tastenspieler seiner Zeit. Das abschließende Werk „Präludium und Fuge e-moll“ von Nikolaus Bruns enthielt reizvolle Kontraste und danach durften die noch recht rüstig wirkenden Balgtreter zu ihrem wohlverdienten Beifall heruntersteigen. Als Leonard Hölldampf dann aber nach seinem gelungenen Auftritt für eine Zugabe wieder zum Spieltisch schritt, kletterten die beiden tüchtigen „Orgelbuben“ wieder hurtig zu ihren Bälgen, um „Wind“ für ihn zu machen, denn ohne sie lief ja bekanntlich nichts.