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Der doppelte Zwingenberger

Für das Hamburger Boogie-Woogie-Idol ist der Club Bastion gleich zweimal voll

Kirchheim. Wenn Axel Zwingenberger zu Gast ist, ist der Club auch mal doppelt voll: Die Bastion hatte am Freitag und Samstag eine ganz große Nummer des Boogie-Woogie zu Gast und war an beiden Abenden ausverkauft. Denn Axel Zwingenberger

spielt nicht nur phänomenal Blues- und Boogie-Woogie-Piano: Mit mehr als 4 000 Konzerten in über 50 Ländern, unzähligen verkauften Tonträgern und zahlreichen TV- und Radio-Auftritten gilt der Hamburger auch der jüngeren Musikergeneration als Mentor und musikalisches Idol. Längst wurde er in die amerikanische „Boogie-Woogie Hall of Fame“ aufgenommen.

Lionel Hampton, Jay McShann, Big Joe Turner, Lloyd Glenn, Joe Newman, Sippie Wallace, Champion Jack Dupree, Sammy Price, Ray Bryant, Charlie Watts, Vince Weber, Red Holloway, die Mojo Blues Band, Big Joe Duskin, Bill Wyman oder Big Jay McNeely sind nur einige der illustren Namen, mit denen Zwingenberger im Lauf seiner über vierzigjährigen Karriere zusammengearbeitet hat.

In der Kirchheimer Bastion ist der Pianist inzwischen Stammgast. Zum ersten Mal aber präsentierte er sich dort mit seinem Soloprogramm. Trotzdem war es nicht zu befürchten, dass der Abend eine Angelegenheit für Tastenpuristen sein könnte. Auch im Alleingang lässt Zwingenberger das Klavier genretypisch rollen und stampfen, ersetzt mit zehn Fingern an achtundachtzig Tasten eine komplette Band und versteht es, seine Hörer von Anfang an kraft seiner persönlichen Melange aus atemberaubender Technik, weit gespanntem Repertoirebogen und einem guten Schuss Bühnencharisma in den Bann zu ziehen. So wippten nicht nur des Pianisten legendäre rote Schuhe einhellig mit dem Tafelklavier der Bastion im Takt. Die mit schwer zu widerstehendem Drive in den Raum geschleuderte Kinetik begann auch rasch, auf die Gliedmaßen des Publikums überzugreifen.

En passant entwickelte Zwingenberger eine klingende Historie des Boogie-Woogie: Dessen Anfänge im sogenannten Barrelhouse-Stil und der prototypische „Pine Top‘s Boogie“ kamen ebenso zur Geltung wie zahlreiche Anspielungen auf die damals noch omnipräsente Dampflokomotive: Deren rhythmische Betriebsgeräusche drängten eine musikalische Adaption geradezu auf.

Neben Klassikern wie dem „Honky Tonk Train“ zeigte Zwingenberger Eigenkompositionen wie sein eindrückliches „Railway Nocturne“ oder „Boogie Train Mystique“. Zwingenberger selbst ist bekennender Dampflok-Fan und Autor eines einschlägigen Fotobandes.

Der Künstler wechselte im Konzert zwischen Virtuosenstücken à la „Boogie be with me“, die sich als temporeiche Ideenfeuerwerke der Improvisationskunst und als schier unerschöpfliche Leitfäden der Boogie-Technik auswiesen, und erdigen, schwerblütigen Blues-Nummern als Andenken an die Südstaatentradition des Boogie-Woogie.

Zwingenberger führte unmissverständlich vor, dass der Boogie – sei es trotz oder gerade wegen seiner überschaubaren Bandbreite – nicht nur als wichtiger Impulsgeber für Jazz, Blues, Swing und Rock‘n Roll fungierte, sondern auch heute noch in ungebrochener Frische und Strahlkraft dasteht. Ein großartiger Soloabend zwischen Innovation und Tradition, an den sich das begeisterte Kirchheimer Publikum sicher noch lange erinnern wird.