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„Der Geschlechtstrieb ist nicht aufzuhalten“

Kirche Pfarrer Tobias Eißler spricht sich gegen die Ehe für alle aus. Bei der CDU spricht er über Liebe zu Zeiten Luthers.

Tobias Eißler. Foto: Peter Dietrich
Tobias Eißler. Foto: Peter Dietrich

Notzingen. Hätte er das Timing gekannt, sagte Pfarrer Dr. Tobias Eißler, hätte er die Einladung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK) und der Evangelischen Kirchengemeinde Notzingen als zu brisant empfunden. Der Referent stellte seine Ideen zur Ehe in Zeiten Luthers erst kurz nach der Abstimmung im Bundestag zur „Ehe für alle“ vor. Die Einladung aus Anlass des Reformationsjubiläums kam früher.

Der EAK-Kreisvorsitzende Peter Schuster zitierte zu Beginn der Veranstaltung aus Martin Luthers Schrift „Vom ehelichen Leben“ aus dem Jahr 1522. Für Luther sei Familienarbeit Gottesdienst im Alltag. „Gottesdienst war nun nicht nur das, was in der Kirche geschah, sondern auch das, was der Mann für die Frau, die Frau für den Mann, was sie für die Kinder taten.“

Zu Luthers Zeiten war die Ehe ein Sakrament, das nur die Kirche schließen konnte. Das hätte sie gar nicht so gerne getan. „Der wahre Christ lebt ehelos im Kloster“, war laut Tobias Eißler ihre Botschaft. Luther schätzte die Ehelosigkeit Einzelner, die das als ihre Berufung und Gottesgabe sehen, hoch. „Aber nicht fürs breite Volk“, sagte Eißler. „Da ist unter Tausend nicht einer.“ Die Folge der kirchlichen Praxis waren viele heimliche Partnerschaften. Das leibliche Zusammenkommen von Mann und Frau sei von Gott gewirkt, der Geschlechtstrieb sei nicht aufzuhalten, sagte Eißler mit Luthers Worten.

Gegen den Krieg der Geschlechter

Der Reformator habe Mann und Frau als gleichwürdig betrachtet, sich gegen die Herabwürdigung der Frauen und des Hausstandes durch die Schriftsteller seiner Zeit ausgesprochen. Er habe Mann und Frau in eindeutiger geschlechtlicher Verschiedenheit gesehen. Aus einem Mann eine Frau oder umgekehrt zu machen, lag für Luther nicht in unserer Hand. „Man kann Hormone ändern, aber das steckt in jeder Zelle“, sagte Eißler, der sich auch entschieden gegen den „Krieg der Geschlechter“ aussprach: „Das gegenseitige Verachten muss aufhören.“

Die Ehe, schrieb Luther in seinem Traubüchlein, sei eine göttliche Stiftung, keine Erfindung des Menschen. Eine Scheidung solle nicht leichtfertig vollzogen werden. Nach einer Scheidung hat Luther sich gegen eine zu schnelle Wiederheirat ausgesprochen. „Es gibt dann keinen Weg der Versöhnung mehr zurück.“

Doch nach einer gewissen Frist sei für Luther eine zweite Heirat besser als ungeordnete Verhältnisse. „Gott schenkt auch einen zweiten Anfang.“ Eißler beklagte den Mangel von Ehekursen, für das Auto brauche es ja auch einen Führerschein. Doch böte die Kirche in den Diakonischen Bezirksstellen Eheberatung an. Tobias Eißler unterstrich in seinem Vortrag den Wert der Vergebung: „Wenn sich zwei vergeben können, kann das eine Ehe bewahren.“

Was die Gemeinde Notzingen für Familien tut, erläuterte anschließend der Notzinger Bürgermeister Sven Haumacher. Gemeinsam mit der Gemeinde Dettingen wurde dort eine Schulsozialarbeiterin angestellt. Demnächst bekomme die Sportanlage auf dem Eichert ein Multifunktionsfeld. Insgesamt sprach Haumacher von der „heilen Welt in Notzingen“, die Interessentenliste für Bauplätze habe 280 Einträge. Die meisten standesamtlichen Trauungen mache er selbst: „Das ist eine sehr schöne Aufgabe.“

"Pornografie auf offener Straße"

Die Nachfragen der Zuhörer galten vor allem der aktuellen Diskussion um die Ehe. Eißler ist Vorsitzender von Confessio, einer Arbeitsgemeinschaft von rund 90 evangelischen Pfarrern, die sich gegen eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ausspricht. Wie weit die Ansichten in der Kirche auseinanderliegen, zeigt der Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart. Schirmherrin ist die Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold, die dafür von konservativen kirchlichen Kreisen massiv kritisiert wird. Ein Teilnehmer des Abends empfindet den CSD als „Pornografie auf offener Straße“. Ein anderer würde Arnold gerne von ihrem Herbstbesuch im Lenninger Tal ausladen. Peter Schuster sprach von einer „antichristlichen Ethik“ und legte Arnold den Rücktritt nahe. Peter Dietrich