Weilheim · Lenningen · Umland

Der Hirsch erhitzt die Gemüter

Finanzierung Die Arche in Notzingen möchte das Gebäude sanieren und umbauen. Das Vorhaben sorgt derzeit für heftige Diskussionen zwischen Träger und Gemeinderat. Von Katja Eisenhardt

Was soll nur aus dem Hirsch werden? Das Gebäude steht immer wieder auf der Tagesordnung im Gemeinderat. Foto: Jean-Luc Jacques
Was soll nur aus dem Hirsch werden? Das Gebäude steht immer wieder auf der Tagesordnung im Gemeinderat. Foto: Jean-Luc Jacques

Die geplante Umnutzung des historischen Hirsch-Gebäudes in Notzingen, das sich im Besitz der Arche befindet, sorgt zwischen Gemeinderat und Trägerverein derzeit für emotional aufgeladene Diskussionen. Auch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats war das Thema wieder auf der Tagesordnung gelandet, nachdem eine Entscheidung über die Bezuschussung, die von der Arche gefordert wurde, im Rahmen des Landessanierungsprogramms (LSP) in Höhe von 150 000 Euro vertagt worden war.

Das Gremium genehmigte im Februar vergangenen Jahres zwar 150 000 Euro, allerdings gekoppelt an die Vorgabe, dass es im Hirsch eine öffentliche Toilette geben muss. Nachdem aber kein Betreiber für das ursprünglich geplante Café gefunden wurde, plante die Arche um. In diesem Zug wurde die öffentliche Toilette gestrichen.

Stattdessen sind im Erdgeschoss jetzt vier Zimmer für ambulant betreutes Wohnen geplant. Die Betreuung der Bewohner will die Arche selbst übernehmen. Wolfgang Kalmbach, Vorstandsvorsitzender der Arche, stellte dem Gemeinderat das neue energetische Konzept vor. Auch ohne öffentliches WC wurden die 150 000 Euro als Zuschuss beantragt - als Mittel für Erneuerung, Modernisierung, Instandsetzung und Umnutzung des Hirsch-Gebäudes. 60 Prozent würde das Land tragen, die restlichen 40 Prozent müsste die Gemeinde stemmen. Das sorgte im Gemeinderat für Unverständnis und für Vertagung.

Inzwischen erreichte den Notzinger Gemeinderat ein ausführliches Schreiben von Wolfgang Kalmbach, in dem die Arche ihr Unverständnis über das Verhalten des Gemeinderats zum Ausdruck bringt. Man sei „sehr befremdet über die Diskussion“, heißt es.

„Der Hirsch ist ortsprägend“

Der Antrag wurde von der Arche überarbeitet: Nach wie vor wird ein Zuschuss von 150 000 Euro beantragt. Argumentiert wird, dass das Gebäude drei- bis fünfmal größer ist als normale Häuser. Es sei zentral und ortsprägend. Der Hirschsaal könne außerdem für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden. Darüber hinaus werde die Arche im LSP ausdrücklich erwähnt. Seit 1984 gibt es den Arche-Wohnverbund, der mit den Bewohnern ein „soziales Zentrum in der Ortsmitte“ bilde.

Außerdem gibt es in Sachen Toilette eine neue Lösung: Das bereits vorhandene und gerichtete WC im Erdgeschoss soll mit dem Konzept der „netten Toilette“ gekoppelt werden. Dafür soll keine große Werbung gemacht, die Ladenbesitzer im Ortskern aber informiert werden, sodass sie bei Bedarf ihre Kunden auf die Toilette hinweisen können. Den Schlüssel dafür müsste man am Empfang der Arche holen.

Sollte der Gemeinderat grünes Licht für den Antrag geben, „werden wir in das Landessanierungsprogramm eintreten“, heißt es im Schreiben der Arche. Andernfalls müsse man den Anforderungen eines Landessanierungsprogramms aus dem Weg gehen, um das Vorhaben dennoch - dann eben weniger energetisch und optisch verfeinert - nach den Finanzmöglichkeiten der Arche angehen.

Reaktionen aus dem Gemeinderat

Im Gemeinderat stieß das Schreiben auf Unverständnis. Der Tenor: Sehr fordernd und teils im Ton vergriffen sei der Brief der Arche. „Das war schwere Kost“, fand Hans Prell (UKW), „darin wird behauptet, wir seien durch unsere Forderung einer öffentlichen Café-Toilette mitverantwortlich, dass das Café nun nicht kommt. Das halte ich für unsachlich und abwegig. Kritische Nachfragen müssen erlaubt sein.“ Stattdessen sei von einer „Misstrauenskultur“ die Rede: „Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.“ Das stieß dem Gremium insgesamt auf.

Einig waren sich alle, dass 150 000 Euro durch den Wegfall der öffentlichen Toilette nicht mehr gerechtfertigt sind: „60 000 Euro hätte das gekostet. Es gibt kein öffentliches WC, also bleibt eine Obergrenze von 90 000 Euro übrig“, brachte es Alfred Bidlingmaier (CDU) auf den Punkt. „Das ist schon großzügig“, findet er, denn: Verpflichtet wäre die Gemeinde nur zu maximal 45 000 Euro Zuschuss aus dem Landessanierungsprogramm. Das Konzept „nette Toilette“ hält Alfred Bidlingmaier für keine gleichwertige Alternative zur öffentlichen Toilette.

Ein weiterer Brief der Arche hat Herbert Hiller (CDU) erhalten. Er hatte in einer früheren Sitzung kritisiert, dass die Arche nicht zuerst auf die Gemeinde zugekommen ist, um ihr das Obergeschoss des Hirschs zur Flüchtlingsunterbringung anzubieten. Stattdessen wurde es an die Stiftung Tragwerk für selbigen Nutzen vermietet. „Ja, es gab keine schriftliche Anfrage der Gemeinde an die Arche. Allerdings stand es oft genug im Mitteilungsblatt, dass dringend Wohnraum gesucht wird, und hätte entsprechend bekannt sein müssen“, betont Herbert Hiller.

An beide Seiten appellierte Ulrich Blattner (SPD), künftig „weniger emotionsbehaftet“ zu agieren. „Der Hirsch ist ortsbildprägend und ja, als Gemeinde müssen wir da was machen“, sagt er. Die Idee, den Hirschsaal für Veranstaltungen buchen zu können, sei ok, ob das mit der Küchennutzung parallel zur Arche funktioniere, müsse man prüfen.

Auf den Punkt brachte es Vera Morlock-Gommel (UKW): „Das aktuelle Konzept der Arche hat keinen öffentlichen Nutzen. Dass wir beim Zuschuss unseren Pflichtteil verdoppeln, ist das Äußerste.“ eis