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Der Kirche  fehlen die Fachkräfte

Religion Pfarrer Paul Magino und Gemeindereferentin Nicole Schmieder sind die einzigen Hauptamtlichen der Kirchengemeinde St. Kolumban. Unbesetzte Stellen sind aber kein Wendlinger Phänomen. Von Sylvia Gierlichs

Paul Magino ist ein herzlicher Mensch. Einer, der den Gläubigen seiner Kirchengemeinde zugewandt ist, immer ein offenes Ohr hat. Doch der 71-Jährige ist gegenwärtig sehr gefordert. Denn die Personaldecke in St. Kolumban ist derzeit dünn wie nie. „Wir waren auch schon fünf Personen, aber im Moment sind Gemeindereferentin Nicole Schmieder und ich nur zu zweit im hauptamtlichen Pastoralteam“, sagt der Wendlinger Pfarrer. Die Stelle von Pastoralreferentin Corinna Weber, die die Kirchengemeinde im vergangenen Jahr verließ, ist nicht besetzt. „Ihre Stelle war ausgeschrieben, aber es gab keine Bewerbungen“, sagt Magino.

Aber nicht nur Corinna Weber fehlt, auch Pfarrer Daniel Heller, der sich Anfang des Jahres von seiner Stelle als Pfarrvikar verabschiedete, hat eine Lücke hinterlassen. Denn nun ist es alleine Paul Magino für alles zuständig. Doch der Wendlinger Pfarrer kann nicht in allen Gemeinden gleichzeitig sein, um beispielsweise die fünf Gottesdienste in der Seelsorgeeinheit abzudecken. Deshalb gibt es ein Team von Ehrenamtlichen, die wechselnd eine Wort-Gottes-Feier leiten. „Das ist eine Bereicherung im Gemeindeleben, und nur so geht es“, sagt Magino.

Der Mangel an Priestern

Für die Katholiken in Wendlingen wird die Situation im kommenden Sommer noch schwieriger. Denn dann wird Paul Magino in Ruhestand gehen. Doch der in Wendlingen überaus geschätzte, kluge Geistliche aus Oberschwaben tritt nicht nur als Pfarrer ab, auch im Dekanat muss dann neu gewählt werden.

Priestermangel – davon ist schon seit Jahren die Rede. Nicht ohne Grund kommen viele Geistliche aus dem Ausland, vor allem aus Afrika und Indien, um offene Stellen zu besetzen. Dies soll jedoch, geht es nach Papst Franziskus, ein Ende haben. Die Gebiete, für die ein Priester zuständig ist, werden dann immer größer. Die unmittelbare Nähe zu den Menschen nimmt ab.

 

Ehrenamtliche sind kein Ersatz für fehlende Hauptamtliche.
Paul Magino
Pfarrer in St. Kolumban

 

Aus anderen Teilen der Welt ist das schon lange bekannt. Als wäre der Priestermangel nicht schon ein dickes Problem, schlägt aber auch bei Pastoral- und Gemeindereferenten und -referentinnen der Fachkräftemangel durch. „Es gibt schon zu wenig Menschen, die diese Ausbildung machen wollen“, macht Magino deutlich, wie prekär die Lage mittlerweile ist.

Wie erklärt er sich diesen Fachkräftemangel? Für Paul Magino gibt es tatsächlich mehrere Gründe. Der Reformstau in der Kirche trage sicher dazu bei, dass sich weniger Menschen für einen Beruf in der Kirche entscheiden. Schon die Zahl der Studierenden an der theologischen Fakultät in Tübingen befinde sich auf einem Tiefstand. „Zudem ist die Gesellschaft heute religiös weniger gebunden“, nennt Paul Magino einen weiteren Grund. Wo junge, praktizierende Katholiken fehlen, wird auch das Reservoir derer immer kleiner, die sich zu einem geistlichen Beruf entscheiden könnten. Wie die Entwicklung in den kommenden Jahren sein wird, welche auch strukturellen Änderungen notwendig werden, werde im Pastoralausschuss des Diözesanrats und im Bischöflichen Ordinariat derzeit beraten. „Die individuellen Erwartungen an die Pfarrer und pastoralen Mitarbeiter werden berechtigterweise größer“, sagt Magino.

Das Online-Magazin „katholisch.de“, das die Deutsche Bischofskonferenz herausgibt, sieht den Priester künftig gar als Alleskönner: Gesucht werde ein Don-Camillo-Seelsorger mit Top-Manager-Qualitäten und Mediatoren-Ausbildung, der obendrein noch ein geduldiger Autofahrer ist, um auch die entlegendsten Winkel seines Seelsorgereichs anzusteuern, beschreibt das Magazin mit einem Augenzwinkern, was auf den Priester der Zukunft zukommen könnte.

Man sieht also: der Fachkräftemangel in der katholischen Kirche ist kein Wendlinger Phänomen. Erst im Sommer machte die Personalchefin des Bistums Speyer auf dieses Thema aufmerksam. Von den rund 530 Seelsorgern im Jahr 2020 würden dort 2030 nur noch rund 370 im Dienst sein, sagte Christine Lambrich. Und dieser Personalmangel werde sich auswirken. Auf die Pfarreiseelsorge, auf Krankenhausseelsorge, aber auch das Bischöfliche Ordinariat und die Schulen bleiben davon nicht verschont. Lambrich macht sich keine Hoffnung, dass sich diese Situation bald ändere. Das Bistum Speyer, betont Lambrich, stehe mit dem massiven Personalmangel zudem nicht allein da. Die Entwicklung verlaufe in allen deutschen Diözesen ähnlich. So auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. „Das Phänomen des Priestermangels sei auch in der Diözese Rottenburg-Stuttgart seit vielen Jahren bekannt“, antwortet Pressesprecherin Eva Wiedemann. Der Pfarrer der Zukunft sei daher intensiv eingebettet in ein Team aus Haupt- und Ehrenamtlichen. Dieses „neue“ Priesterbild ist durchaus attraktiv, ist die Sprecherin überzeugt.

Neuer pastoraler Stellenplan

Bislang sei jedoch der Fachkräftemangel noch nicht durchgehend feststellbar. Es gebe Dekanate, in denen fast alle Stellen besetzt seien. Gerade im Bereich der Krankenhausseelsorge gebe es nach wie vor genügend geeignete Bewerber. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart sei zudem bereits im September 2018 ein neuer pastoraler Stellenplan eingeführt worden. Dieser nehme den Rückgang an Priestern auf und eröffnet neue Lösungswege.

Doch der Plan der Diözese, Pfarrer, Haupt- und Ehrenamtliche noch stärker zu einem Team zusammenzuschweißen, wird schwieriger. Denn auch bei den Ehrenamtlichen kann die Katholische Kirche nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. In Wendlingen gab es seit der letzten Wahl der Kirchengemeinderäte mehrere Wechsel. So zog sich ein Mitglied wegen Umzugs aus dem Gremium zurück. Zwei weitere Rücktritte gab es aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen. Bisher war jeweils ein Nachrücker zur Stelle, der die Lücke füllen konnte.

In Wendlingen trat zudem ein Jugendvertreter zurück, der seine Altersgruppe im Gremium zu wenig vertreten gefühlt hatte. „Das macht es nicht einfacher“, sagt Magino. In einer Klausurtagung wurde mit den Kirchengemeinderäten offen darüber gesprochen, was in nächster Zeit auf das Gremium zukommt. Carisatt, Öffentlichkeitsarbeit oder die Übernahme Liturgischer Dienste – hier werden die Kirchengemeinderäte stärker mit einbezogen. „Aber man kann nicht alles, was Hauptamtliche machen, dem Ehrenamt zuordnen. Ehrenamtliche sind kein Ersatz für fehlende Hauptamtliche“, sagt Magino.

2,75 Stellen für Hauptamtliche gibt es in der Seelsorgeeinheit Guter Hirte-Kolumban. Das Team sollte aus einem Pfarrer, einem Pastoralreferenten, einer Gemeindereferentin und möglichst einem Diakon bestehen. Für sie stehen 2,5 Stellen zur Verfügung. Der engen Personalsituation geschuldet können nun auch weitere Berufe ins Pastoralteam berufen werden, beispielsweise Pädagogen oder Sozialarbeiterinnen. Sie machen weitere 0,25 Stellen aus und werden seitens der beiden Kirchengemeinden mit 0,25 Prozent Stellenanteilen aus eigenen Mitteln finanziert. Auch das zeigt den Ernst der Situation.