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Der „Kopftotmacher“ hat ausgedient

Oliver Ludwig, der über längere Zeit drogenabhängig war, fand im Diakonieladen in Kirchheim ins Arbeitsleben zurück

Die schwierigsten Situationen seines Lebens hat Oliver Ludwig ad acta gelegt. Mit dem Bundesfreiwilligendienst Ü 27, den er seit November absolviert, hat er Stück für Stück zurück ins Arbeitsleben gefunden. Jetzt hat er alles im Griff: sein Leben und seinen Alltag.

Oliver Ludwig kann was und wird gebraucht: Seine Arbeitskraft ist im Diakonieladen willkommen.Foto: Jean-Luc Jacques
Oliver Ludwig kann was und wird gebraucht: Seine Arbeitskraft ist im Diakonieladen willkommen.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Oliver Ludwig hantiert mit dem Bohrer, er repariert Möbelstücke, übernimmt Fahrdienste und kümmert sich um Kunden. Sein Arbeitsplatz ist der Kirchheimer Diakonieladen. Seine Vergangenheit sieht ihm niemand an: „Ich habe über einen längeren Zeitraum sehr viel Cannabis geraucht“, sagt der 38-Jährige. Bis er eines Morgens „halbnüchtern“ aufwachte und ein Foto auf dem Couchtisch fand. „Ich habe mir gedacht, der Typ auf dem Foto ist mehr tot als lebendig. Nach zwei Tassen Kaffee ist mir bewusst geworden: Das bin ich.“ Daraufhin hat Oliver Ludwig einen Schlussstrich gezogen. Er hat die betäubende Droge aus seinem Leben verbannt und den Schritt zurück in die Realität gewagt. Von Cannabis wegzukommen war „eigentlich nicht so schwer“, viel härter traf ihn das Nachspiel.

Auf die Frage, wie er das erste Mal mit Drogen in Berührung gekommen sei, sagt er: „Mit Freunden. Da ist ein Joint durch die Runde gewandert, und dann hat man eben mitgeraucht.“ Das war kurz vor seiner Zeit bei der Bundeswehr. Damals ging es dem heute 38-Jährigen nur um den „gelegentlichen Genuss“. Schlimmer wurde alles erst, als er in einer „guten finanziellen Situation“ war.

Lange Zeit funktionierte sein Leben auf zwei verschiedenen Ebenen. Er hatte einen Job, und über das Ausmaß seines Drogenkonsums wusste außer ihm selbst niemand Bescheid. „Man konnte das eigentlich recht gut vertuschen“, sagt Oliver Ludwig. Er hatte gelernt, sein Leben auch im „total bekifften Zustand“ zu meistern, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

Versunken ist er im Drogensumpf fast wie von selbst: „Das ist fließend passiert. Nicht anders, als würde ich jetzt anfangen, jeden Tag Kaugummi zu kauen. Dann kaue ich immer mehr und merke überhaupt nicht, dass ich eigentlich zwei Packungen am Tag brauche“, so Oliver Ludwig. Dass die Droge plötzlich fester Bestandteil seines Lebens war, wurde ihm erst sehr spät bewusst.

Seine schlimmste Phase kann der 38-Jährige „gar nicht mehr so genau erfassen“. Es müssen drei oder vier Jahre gewesen sein, in denen er jeden Tag größere Mengen konsumierte. Er beschreibt Cannabis als „Kopftotmacher“, damit alles ein bisschen leichter erscheint, damit kaum ein Gedanke klar genug wird, um ein realistisches Bild der Situation zu zeichnen. „Die ganzen Sorgen, die man sonst so im Kopf hatte, hat man einfach weggeraucht.“ Manchmal klingt es, als würde er von einem anderen erzählen, nicht von sich selbst.

Ein Geheimnis macht Oliver Ludwig aus seiner Vergangenheit aber nicht. Aus den schwierigsten Situationen seines Lebens habe er am meisten gelernt, und dazu zähle auch seine Drogenzeit. Diese Erfahrungen hätten aus ihm eine starke Persönlichkeit gemacht und seinen Kampfgeist gestärkt. Er hat durchaus einen Sinn dafür entwickelt, daraus seinen Vorteil zu ziehen.

Arbeitslos wurde der 38-Jährige erst lange nach seiner Zeit als Abhängiger, woraufhin er sein Leben noch einmal komplett neu ordnen musste. Nach verschiedenen Arbeitsgelegenheiten war er eine längere Zeit aufgrund von Depressionen in einer Reha-Einrichtung.

Seit November leistet Oliver Ludwig Bundesfreiwilligendienst im Diakonieladen in Kirchheim. Hier erntet er die verdiente Portion Doping fürs Ego. Aber nicht nur das – auch die Frau fürs Leben hat er im Diakonieladen kennengelernt. Mit leuchtenden Augen erzählt er von der Hochzeit Anfang Mai. In seinem Leben hat nun nur noch eine Droge Platz: die Liebe.

Für den frischgebackenen Ehemann ist klar: Ohne den Diakonieladen hätte er die Kurve nicht gekriegt. „Wir sind für die sozial Schwachen da, einmal als Kunden, aber auch als Mitarbeiter“, betont Ladenleiterin Carola Ullmann. Der Bundesfreiwilligendienst Ü 27 bietet Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit, zurück ins Berufsleben zu finden. Aber auch Menschen, die aufgrund ihres Alters keine Stelle mehr finden, sind willkommen.

Carola Ullmann betont: „Wir wollen das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl dieser Menschen wieder steigern, damit sie sehen: Ich kann noch, ich werde noch gebraucht.“