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Der moralische Zeigefinger bleibt unten

Literatur Der Kirchheimer Künstler Hans-Hilmar Seel hat seinen neuesten Gedichtband „Zeitbewegt“ veröffentlicht. Darin enthalten sind viele Gedanken über Gott und die Welt. Von Günter Kahlert

Produktiver Autor: elf Gedichtbände hat Hans-Hilmar Seel bereits veröffentlicht.Foto: Günter Kahlert
Produktiver Autor: Elf Gedichtbände hat Hans-Hilmar Seel bereits veröffentlicht. Foto: Günter Kahlert

Ist er jetzt ein malender Dichter oder ein dichtender Maler? Hans-Hilmar Seel lacht, „das kommt immer darauf an, was mich gerade interessiert und umtreibt.“ Sein jüngstes Werk „Zeitbewegt“ jedenfalls kommt aus der „Abteilung Dichter“. Ein dicker Band mit 366 Gedichten, für jeden Tag des Jahres eines (es gibt auch den 29. Februar) als Anregung zum Reflektieren, Nachdenken oder auch nur Schmunzeln.

In seinem Haus auf dem Kirchheimer Schafhof befindet sich die private Galerie des Malers Hans-Hilmar Seel. Überall hängen Arbeiten von ihm, einmal mit dem Künstler durchgehen versteht sich von selbst. Im Keller sind mindestens noch mal so viele Aquarelle und Ölbilder der letzten 15 Jahre archiviert. Die genaue Zahl kann selbst er nicht auf Anhieb sagen.

Aber es geht nicht um seine Bilder, sein neuer Gedichtband und sein Arbeiten als Literat sollen im Mittelpunkt stehen. Sein „Lieblingsplatz“ im Obergeschoss des Hauses bietet Blick auf den Garten, die Sonne scheint durch das Südostfenster und taucht die Sitzecke in ein ganz eigenes Licht. Hier sinniert der 75-jährige, liest oder genießt mit seiner Frau Moni einfach ein gutes Glas Wein. Doch genug des Schwelgens, ein Treffen mit dem Künstler Hans-Hilmar Seel ist nichts Abgehobenes, Vergeistigtes.

Zunächst geht es allerdings erst mal um etwas ganz anderes: „Graved Lachs“. Probieren und fachsimpeln über drei Variationen der kulinarischen Köstlichkeit, die er selbst mariniert hat. „Das Rezept habe ich von meinen Urlauben auf Rügen mitgebracht“, erklärt er zu seinen Lachs-Kreationen. Aber das passt zu Hans-Hilmar Seel. Da ist der bodenständige Genießer, da ist der Maler und da ist der feinsinnige Beobachter, der Alltägliches in Reimen verarbeitet.

Das jüngste Werk „Zeitbewegt“ ist bereits sein elftes Buch und der zweite Band mit Gedichten für jeden Tag. Zwei Jahre hat er daran gearbeitet und die Themen drehen sich im wahrsten Sinne des Wortes um „Gott und die Welt“. Hans-Hilmar Seel ist ein religiöser Mensch, will aber nicht missionierend oder belehrend sein. Er setzt sich mit Religion auseinander ebenso wie er es mit Naturthemen macht, die ihm sehr am Herzen liegen. Einzelne Gedichte herauszugreifen ist müßig, dazu sind es zu viele an der Zahl und zu viele Perspektiven auf alle möglichen Dinge.

Nein, einen Notizblock braucht er nicht bei der Suche nach seinen Themen. Das käme jeden Tag auf ihn zu, einfach so über die Medien oder eigenes Erleben. „Man kann das ignorieren“, meint er, „oder darüber reflektieren.“ Und er hat sich entschieden, zu reflektieren. Mit vielen klugen, überraschenden oder auch humorigen Ansätzen.

Das Wichtigste für ihn: die Leser sollen sofort verstehen, was er schreibt. „Da fühle ich mich mit Wilhelm Busch und Heinz Erhardt seelenverwandt,“ skizziert er seinen Stil, „humorig an die Sache rangehen, in Bildern sprechen und einfach in der Sprache.“ Er wolle keine Kunstwerke schaffen, keine verträumte Lyrik. „Prosa in Reimform“, nennt Hans-Hilmar Seel seine Art zu schreiben. Das ist eigentlich ein Widerspruch in sich, aber da müssten sich Literaturwissenschaftler darüber streiten.

Bei allem, was der Dichter an Zeitphänomenen oder auch bedenklichen Entwicklungen registriert, belehrend will er nie sein. „Mir ist in der öffentlichen Diskussion viel zu viel moralischer Zeigefinger. Das will ich nicht.“ Also bleibt der in der Tasche. „Man sollte niemals einen Menschen tadeln. Die Sache kritisieren, logisch, aber nicht den Menschen persönlich“, schildert er seine Herangehensweise.

Hans-Hilmar Seel vergräbt sich nicht nur in seiner „Dichterstube“ im Keller seines Hauses und produziert seine Reime. Er genießt auch öffentliche Auftritte, egal ob solo in Altenzentren und Veranstaltungen oder in Kombination mit wechselnden Musikgruppen in unterschiedlichsten Lokalitäten. „Mir macht das riesen Spaß, wenn ich merke, die Menschen hören Dir zu.“

Für einige Events hatte er sich mit den „Vintage Blues Men“ zusammengetan, die Kirchheimer Musik-Urgesteine Otwin Schierle und Manfred Sing. „Das ist absolut cool,“ erzählt er begeistert, „wir können spontan zwischen Lesen und Musik aufteilen.“ Highlights waren zum Beispiel zwei Auftritte im damaligen Sternerestaurant „Landgasthof am Königsweg“ in Ohmden. „Fünf-Gänge-Menü, Wein, Lesung und Musik, das ging bis lange nach Mitternacht“, schwärmt der Dichter immer noch davon.

Sein jüngstes Werk „Zeitbewegt“ ist also erledigt. Was kommt als nächstes? „Ich bin dabei, ein Familienlesebuch zu schreiben. Märchenhafte Geschichten über Tiere und Menschen für Kinder und Jugendliche, die Erwachsene gerne vorlesen aber auch selber lesen wollen“, skizziert Hans-Hilmar Seel seine Pläne. Das ganze dann wirklich in Prosa, also keine oder nur ganz wenige Reime. Man darf gespannt sein. Ach ja, der Lachs war übrigens großartig.

Info „Zeitbewegt - Gedichte von Hans-Hilmar Seel“ kann über die Kirchheimer Buchhandlungen bezogen werden oder beim Autor direkt unter hans.seel@web.de.