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Der Rehbock und die Wellness

Dettinger Wald soll 2016 kleinen Überschuss erwirtschaften – Starker Verbiss, höherer Wildabschuss

Alle drei Jahre wird in einem forstlichen Gutachten der Zustand des Waldes untersucht. Im Dettinger Wald, so das jüngste Werk, gibt es zu viel Verbiss durch Wild. Der Bericht von Revierleiter Benjamin Fischer im Gemeinderat wurde spannender als erwartet.

In Dettingen soll im kommenden Jahr nicht mit voller Kraft Holz geerntet werden.Foto: Jean-Luc Jacques
In Dettingen soll im kommenden Jahr nicht mit voller Kraft Holz geerntet werden.Foto: Jean-Luc Jacques

Dettingen. Versteht der Rehbock etwas von Wellness? Wenn es darum geht, durch Schrubben sein neues Geweih von der alten Haut zu befreien, bevorzugt er jedenfalls die wohlriechende Douglasie. Diese muss daher bei der Verjüngung teilweise geschützt werden. Die Buche kommt auf der ganzen Fläche gut alleine klar, doch bei Tanne, Esche, Ahorn, örtlich auch bei der Fichte und bei sonstigem Laubholz gibt es starken Verbiss. Das führt dazu, dass sich der Wald entmischt, weil sich einzelne Sorten durchsetzen, und es führt zum Schutz der aufwachsenden Bäume zu zusätzlichen Kosten.

Die Empfehlung des forstlichen Gutachtens ist daher eindeutig: Es sollte deutlich mehr Rehwild abgeschossen werden als bisher. Durch Einsatz eines Zweitgutachters, so Benjamin Fischer, habe sich die Qualität des forstlichen Gutachtens erheblich verbessert. Es entstehe nicht am Schreibtisch, sondern auf Basis von Begutachtungen in der Fläche.

Doch es gibt auch Positives zu vermelden. Im Wald hat in diesem Jahr ein neues Wildbienenhotel eröffnet, die Buchungen sind vielversprechend. Eine benachbarte neue Tafel informiert über das Leben der Wildbienen. Dem Aufbau kam zugute, dass beide Waldarbeiter nebenberufliche Imker sind. Fischer ist froh, dass es trotz des heißen Sommers keine Waldbrände gab. „Zum Glück war es nur eine Übung“, sagte er zur großen Feuerwehrübung mit den Nachbargemeinden, bei der ein Waldbrand und ein verletzter Forstarbeiter angenommen wurden.

Walter Hegelau, beim Landratsamt für die Reviere Ost verantwortlich, hatte für 2015 ein normales Jahr erwartet. Doch dann kam an der Wende vom März zum April Orkan Niklas. Vor allem im Oberland und in Bayern schlug er stark zu, billiges Sturmholz aus Bayern ließ die Preise beim Fichtenholz sinken. Mit dem Sturm wuchs die Angst vor dem Borkenkäfer, doch mit diesem wurde es bislang – möglicherweise wegen des schneereichen Winters zuvor – weniger schlimm. Schlimm könnten laut Hegelau die Auswirkungen des Kartellverfahrens werden. Sägewerke hatten gegen das staatliche Monopol geklagt. „Wenn es schlecht läuft, müssten der Staats- und Kommunalwald wieder getrennt werden“, sagte Hegelau. Das Verfahren am Oberlandesgericht Düsseldorf soll im Mai 2016 beginnen und könnte bis zu drei Jahre dauern. Vo­rauseilend wurde bei der Kreiskasse im Landratsamt eine separate Holzverkaufsstelle geschaffen. Hegelau bezweifelt, ob den Kunden letztlich gedient ist, wenn zur Pflege des ach so heiligen Wettbewerbs neue Kosten geschaffen werden. „Wir hoffen, dass wir alle mit einem blauen Auge davonkommen“, sagte Bürgermeister Rainer Haußmann.

Im kommenden Jahr soll auf zwölf Hektar Kultursicherung betrieben werden. „Der Adlerfarn wächst auch bei Trockenheit“, so Fischer, „da kommt kein Baum hinterher.“ Der Waldlehrweg, so Fischer, sei inzwischen gut mit Schildern ausgestattet. Nun könne an interaktive Stationen für Kinder gedacht werden, etwa zum Fühlen und Tasten. Im nächsten Jahr soll nicht mit voller Kraft Holz geerntet werden, sondern zum Ausgleich der Vorjahre etwas langsamer, geplant ist eine Gesamtnutzung von 1 310 Festmetern. Der Brennholzverkauf läuft gut.

Im nächsten Jahr sollen 450 Tannen und Douglasien gepflanzt werden. Eine gute Nachricht: Die Tanne erträgt die Trockenheit weit besser, als früher erwartet wurde. Die Waldhütte soll statt ihrer bisherigen Beheizung mit Gas eine kleine Solaranlage erhalten, dafür sind 3 000 Euro eingeplant. Durch den Holzverkauf und Arbeiten auf Rechnung Dritter will der Forst im kommenden Jahr insgesamt 87 800 Euro erwirtschaften. Dem stehen Kosten, auch für die Pflege der Wege und die Umlagen für die Frostverwaltung, von gut 72 000 Euro gegenüber. Somit wird im Jahr 2016 ein kleiner Überschuss erwartet.

Das neue Ziel: 50 statt 40 Stück Rehwild sind zu schießen

Seit 2007 nimmt Dettingen am Modellprojekt „Rehwildbewirtschaftung ohne behördlichen Abschussplan“ teil. Jährlich vereinbart sie mit dem Jagdpächter Hartmut Müller den geplanten Abschuss. Dieses Ziel wurde wegen des starken Verbisses für 2016 von bisher 40 auf 50 Tiere erhöht. Davon müssen mindestens 30 Tiere in festgelegten Abschussschwerpunkten – dort wo der Wald verjüngt wird – erlegt werden. „Wird nur auf den Wiesen abgeschossen, bringt das dem Wald nichts“, sagt Revierleiter Benjamin Fischer. Die Zahl 50 ist ein Kompromiss mit den Jägern, denn die von der Gemeinde gewünschte Erhöhung war strittig. Grundlage der Berechnung ist die Empfehlung, je 100 Hektar Wald bei geringem Verbiss mindestens zehn, bei mittlerem Verbiss bis zu 13 und bei starkem Verbiss bis zu 15 Stück Rehwild zu erlegen. Die Gesamtfläche des Dettinger Waldes liegt bei 413 Hektar. Auch bei einer 25 Prozent höheren Quote als bisher werde das Rehwild nicht ausgerottet, versicherte Fischer. Bis jetzt wurden die vorab vereinbarten Abschusszahlen in der Praxis auch eingehalten. pd