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Der Traum vom Fliegen

Vor dem Autoführerschein kommt der Flugschein: Schon mit 14 Jahren dürfen Jugendliche in die Luft

Dettingen. Frei wie ein Vogel in luftige Höhen aufsteigen, die Welt von oben sehen, schnell und elegant über Berge, Täler und Ortschaften gleiten – der Traum vom Fliegen ist

nicht unerreichbar. Jugendliche können zu niedrigen Mitgliedsbeiträgen in den Segelflugverein gehen und erhalten dafür eine relativ günstige Flugausbildung. „Das klappt“, laut Andreas Belz, von der Fliegergruppe Dettingen, „weil alle mit anpacken.“ Am Wochenende wird schon mal in der Werkstatt geschraubt und poliert oder bei der Essensausgabe Hand angelegt.

„Doch dafür ist die Segelfluglizenz für weniger Geld zu haben als der Pkw-Führerschein“, sagt Belz, der erst vor Kurzem bei den deutschen Meisterschaften in Ulm auf dem dritten Platz landete. Das Mindestalter für den Einstieg liegt dem Vorstandsmitglied zufolge bei 14 Jahren. Allerdings wird die Segelfluglizenz erst nach zwei Jahren erteilt. Bevor es aber mit der Grundausbildung losgeht, müssen die Neueinsteiger zum Fliegerarzt. „Der macht keine Jet-Piloten-Tests“, lacht Andreas Belz. „Er prüft lediglich, ob die gesundheitliche Verfassung ausreicht, um ein Segelflugzeug zu führen.“ Eine Brille sei deshalb kein Hindernis.

Dann folgt die theoretische und praktische Ausbildung, bei der der Schüler unter anderem lernt, durch die Ausnutzung natürlicher Energiequellen, wie Thermik, Hangwind oder Leewellen an Höhe zu gewinnen. Leewellen entstehen bei besonderen Starkwind-Wetterlagen auf der windabgewandten Seite eines Hindernissen, die es entsprechend zu nutzen gilt. „Außerdem lernt der Flugschüler, wie er Landungen außerhalb des Flugplatzes durchführt und sich dabei richtig verhält“, so Andreas Belz. „Flugrecht, Navigation, Aerodynamik und die Technik der Flieger sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung.“ Vermittelt werden darüber hinaus Kenntnisse in der Meteorologie. Denn jeder Pilot muss laut Ausbildungsleiter Ulrich Häfner auch auf Sicht erkennen können, ob sich das Wetter verschlechtert und ein Weiterflug infrage kommt oder die Schlechtwetterfront umfliegbar ist.

Die Segelfliegerei ist ein Erfahrungssport. Entsprechend schnell sitzen die Neulinge laut Andreas Belz auf dem Pilotensitz und drehen mit den Lehrern der Fliegergruppe Dettingen ihre Runden über dem Platz. „Ein Gefühl für die Thermik kann in der Theorie“, laut Belz, „nicht vermittelt werden. Die muss man einfach spüren und das geht nur in der Praxis.“ Und dabei lernen die Flugschüler unter anderem mit Höhen- und Fahrtenmesser, GPS, Bremsklappen, Quer-, Seiten- und Höhenruder umzugehen. Nach etwa 60 Starts sind die meisten von ihnen in der Lage allein zu fliegen, während sie der Fluglehrer über Funk dirigiert.

So auch Daniel aus Erkenbrechtsweiler. „Mich begeistert einfach das Freiheitsgefühl, das man beim Fliegen erlebt“, erzählt der 15-Jährige. „Kein Flug ist wie der andere, weil keine Wetterlage gleich ist.“ Jeder Start halte deshalb neue Herausforderungen bereit, die es zu meistern gelte. Das macht für ihn den Reiz des Segelfliegens aus. „Außerdem kann ich vieles von dem, was ich in der Ausbildung lerne, auch in der Schule nutzen“, berichtet Achim. „Meteorologie spielt im Geografieunterricht eine Rolle und natürlich enthält die Flugausbildung etliche Inhalte, die auch im Physikunterricht relevant sind.“

Die Eltern des 15-Jährigen sind beide Fluglehrer, so kam er schon von Kindesbeinen an mit der Fliegerei in Berührung. „Abgesehen von der Freiheit, die man erlebt, finde ich klasse, dass man lernt, sich zu konzentrieren, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen“, so Achim. „Außerdem entwickelt man ein technisches Verständnis, wenn die Flugzeuge repariert werden. Es ist also viel praktische Erfahrung dabei und das finde ich, als jemand, der das Gymnasium besucht, wo nur theoretisches Wissen im Vordergrund steht, wichtig.“

Einige erwerben laut Ulrich Häfner auch den Pilotenschein für das Ultraleichtflugzeug. „Das geht nach der Segelflugausbildung relativ schnell. Eine Flugstunde kostet 42  Euro“, erzählt er. „Nach nur zehn Stunden haben die meisten die Lizenz in der Tasche. Sie sind dann in der Lage, die Segelflieger im Flugzeug-Schlepp in die Luft zu bringen.“ Aber auch für den Autoführerschein können die jugendlichen Flugschüler auf dem Vereinsgelände üben. „Denn beim Windenstart, bei dem der Flieger über eine Seilwinde nach oben gezogen wird, muss jemand nach dem Ausklinken das Seil zum Startpunkt zurückbringen und das wird mit dem Auto gemacht“, erklärt Belz.

Unterdessen wirft sich Daniel seinen Fallschirm über den Rücken und steigt in den Flieger. Der 15-Jährige kann es kaum erwarten in die Luft zu kommen. Er schnallt sich an, schließt die Plexiglas-Kuppel und binnen weniger Sekunden wird das Flugzeug von null auf 100 Stundenkilometer beschleunigt. In einem Umkreis von maximal 15 Kilometern darf er für seine Lizenz üben. Angeleitet wird er dabei von Ulrich Häfner über Funk.

Jugendliche können zu niedrigen Mitgliedsbeiträgen zum Segelflugverein gehen, um dort eine relativ günstige Flugausbildung zu er
Jugendliche können zu niedrigen Mitgliedsbeiträgen zum Segelflugverein gehen, um dort eine relativ günstige Flugausbildung zu erhalten.Fotos: Daniela Haußmann