Weilheim · Lenningen · Umland
Der Umsonstladen boomt

Nachhaltigkeit Im Lenninger Ula können sich nicht nur Geflüchtete mit Kleidung und anderen Dingen des täglichen Bedarfs eindecken. Wer sich von Sachen trennen möchte, ist hier ebenfalls richtig. Von Anke Kirsammer

Man fühlt sich an Zeiten erinnert, als Kundinnen und Kunden bei Schlussverkäufen noch die Geschäfte überrannten. Eine halbe Stunde, bevor sich die Tür öffnet, harren vor dem Umsonstladen (Ula) in der Oberlenninger Steinstraße die ersten Menschen aus. Von 14.30 bis 16.30 Uhr kann hier mittwochnachmittags jeder stöbern und kostenlos Dinge mitnehmen, die er dringend braucht oder die sein Leben verschönern. Als die Tür aufgeht, füllen sich im Nu die Gänge. Eine ältere Frau klemmt sich einen Korb unter den Arm und greift nach einer Salatschüssel, ein Mann schiebt einen fahrbaren Heizstrahler vor sich her, und zwei kleine Jungs versuchen mit leuchtenden Augen, gegen die bunten Bälle zu kicken, die sie gerade ergattert haben.

 

Man darf Sachen bringen, die einer alleine tragen kann.
Andrea Haintz vom Ula-Team

 

Während Spielsachen, Haushaltsutensilien und Kleider nach draußen getragen werden, schleppen andere tütenweise Nachschub herbei. Die zweistündige Öffnung des Ula ist nicht nur das Zeitfenster für die Abgabe, sondern auch für die Annahme. „Man darf Sachen bringen, die einer alleine tragen kann“, so erklärt Andrea Haintz die Spielregeln. Sie ist eine von fünf ehrenamtlichen Frauen, die den Ula am Laufen halten und gleichzeitig Dienstälteste. Um die Öffnungszeiten erweitern zu können, sind weitere Helfer gesucht.

Viele Geflüchtete, aber auch Einheimische decken sich in dem Laden mit Sachen für den täglichen Bedarf ein. Wer Puzzles, Gesellschaftsspiele, Klamotten und Co vorbeibringt, weil die eigenen Kinder rausgewachsen sind, guckt sich anschließend meist in den Regalen nach Nützlichem um. „Bei uns geht eigentlich niemand ohne etwas raus“, sagt Martina Urhan. Den größten Besucheransturm erlebte der Laden im Herbst vergangenen Jahres, als an einem einzigen Nachmittag 60 Kundinnen und Kunden kamen.

Kooperiert wird unter anderem bei der Erstversorgung von Flüchtlingen mir dem Arbeitskreis Asyl. Benötigt jemand ein Bett oder ein anderes Möbelstück, gibt es im Ula dazu einen Aushang. Kleidung suchte man in dem 2017 eingerichteten Ula anfangs vergeblich. Dafür gab es das Angebot in der Höllochstraße. Doch nachdem der Landkreis die dortige Flüchtlingsunterkunft Ende 2019 vorübergehend aufgegeben hatte, schloss auch die angegliederte Kleiderkammer. Wer Babysachen, Klamotten für größere Kinder oder sich selbst sucht, wird jetzt in der Steinstraße fündig. Das Angebot nutzen in erster Linie Geflüchtete. Leergeräumt wurde dafür das Bücherregal. Lesefutter gibt es nun im Schrank vor der Tür, der rund um die Uhr zugänglich ist.

 

Sie wollen gerne mobil sein.
Felix Schlienz
Der Mitarbeiter des Café Olé freut sich, wenn jemand für Geflüchtete ein Fahrrad abgibt.

 

Punkt 14.45 Uhr öffnet die Fahrradwerkstatt. Der erste Besucher schiebt sein Rad herein. Der platte Vorderreifen braucht dringend Luft. Schläuche, Flick- und Werkzeug liegen hier für jeden bereit. „Die Leute reparieren ihre Fahrräder selbst“, betont der pädagogische Mitarbeiter des Café Olé, Felix Schlienz, der die Werkstatt unter seinen Fittichen hat. Besonders freut er sich, wenn jemand ausrangierte, fahrtaugliche Räder für Erwachsene oder Kinder abgibt. Abnehmer sind vor allem Flüchtlinge. „Sie wollen gerne mobil sein“, erklärt Felix Schlienz.

Gedanke der Nachhaltigkeit              

Der Gedanke der Nachhaltigkeit treibt die fünf Frauen des Ula-Teams besonders um. Wie groß der Bedarf an derlei Einrichtungen sei, zeige sich daran, dass Leute selbst aus Esslingen und Göppingen kämen, um ausrangierte Sachen zu bringen. „Andere Städte und Gemeinden sollten sich ein Beispiel daran nehmen“, betont Hanne Sinner. In Lenningen stellt die Gemeinde das Gebäude zur Verfügung und kommt für die Unterhaltungskosten auf. Bürgermeister Michael Schlecht ist das Thema wichtig: „Wir sollten wieder einen nachhaltigeren Umgang mit den Dingen pflegen“, betont er. Der Umsonstladen gebe den Anstoß, Produkte nicht einfach wegzuwerfen. Er helfe dabei, Energie und andere Ressourcen zu schonen und leiste damit einen Beitrag zum kommunalen Klimaschutz.

Plötzlich taucht ein größerer Junge neben Martina Urhan auf. „Kann ich helfen?“, fragt er freundlich. Seitdem er einmal mit anpacken sollte, als es etwas Schweres zu tragen gab, bietet der 15-jährige Evan regelmäßig seine Hilfe an. Zum Ula-Team gehören im Übrigen eine Frau aus der Ukraine und eine Frau aus Serbien. „Hier findet gelebte Integration statt“, sagt Hanne Sinner. Sie selbst erlebt ihr Engagement im Umsonstladen als äußerst sinnstiftend. „Was wir hier tun, ist aktive Hilfe.“

 

Die Gemeinde stellt die Räume

Der Umsonstladen wurde im Dezember 2017 gegründet. Angesiedelt ist er zusammen mit der Fahrradwerkstatt des Café Olé in der Steinstraße 2 in Oberlenningen. Die Gemeinde stellt die Räume, eine Handvoll ehrenamtlicher Frauen betreut den Laden.

Angestoßen worden war die Einrichtung durch ein Jugendforum des Kreisjugendrings im Sommer 2017. Dort hatten sich Jugendliche einen Secondhand-Laden und ein offenes Bücherregal gewünscht. Weil es bereits eine für jeden zugängliche Kleiderkammer gab, reifte die Idee für den Umsonstladen. Im Zuge der Ortskernsanierung wird das in die Jahre gekommen Gebäude weichen müssen. Wo der Ula samt Fahrradwerkstatt künftig Unterschlupf findet, steht laut Bürgermeister Schlecht derzeit noch nicht fest. „Ziel ist aber, ihm auch in Zukunft eine vernünftige Location zu geben.“

Gebracht werden dürfen Kleider, Fahrräder und andere Dinge des täglichen Bedarfs immer mittwochs zwischen 14.30 und 16.30 Uhr. Wer außerhalb der Öffnungszeiten etwas abgeben möchte, sollte im Café Olé unter der Telefonnummer 0 70 26/9 10 11 76 einen Termin dafür vereinbaren. Unter dieser Nummer können sich auch Leute melden, die das Ula-Team verstärken möchten.

In einem Kässchen nimmt der Ula gerne Spenden entgegen, etwa um Werkzeug oder Ersatzteile für die Fahrradwerkstatt oder Einrichtungsgegenstände besorgen zu können. ank