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Der Wind hat sich gedreht

Ablehnung gegen Anschubfinanzierung für den CAP-Markt am Schwinden – Entscheidung am 1. Juni

Die Zuhörerreihen im Notzinger Gemeinderat waren dicht gefüllt. Was Zuhörern beim Thema „CAP-Markt“ zu Ohren kam, wollten einige angesichts der Vorgeschichte kaum glauben. „Das sind heute völlig andere Leute“ formulierte eine ­Zuhörerin ihr Erstaunen.

Die Anzeichen mehren sich, dass dem Notzinger Lädle in der Ortsmitte doch noch ein Cap-Markt folgt.Foto: Jean-Luc Jacques
Die Anzeichen mehren sich, dass dem Notzinger Lädle in der Ortsmitte doch noch ein Cap-Markt folgt.Foto: Jean-Luc Jacques

Notzingen. Wie verändert man die Politik und die Welt? Nicht, indem man Politiker austauscht, schrieb der Präsidentenberater und Harvard-Dozent Jim Wallis im Bestseller „God’s Politics“. Sondern indem man die Windrichtung dreht. Seit die Diskussion um den Notzinger CAP-Markt aus einer nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung ins Freie, in Berichte und Leserbriefe des Teckboten gefunden hat, seitdem sich die Landfrauen engagieren und sich nun eine „Initiative Notzinger Lädle“ gebildet hat, hat sich der Wind in Notzingen ganz erheblich gedreht. Bürgermeister Sven Haumacher und die Gemeinderäte haben windschnittig reagiert und den Kurs geändert. „So umgedreht, das habe ich noch nie erlebt“, meinte eine andere Zuhörerin. „Man darf auch dazulernen.“

„Wir geben nichts.“ So ließ sich die vorherrschende Meinung im Gremium bisher zusammenfassen. „Wir geben keine 50 000 Euro Anschubfinanzierung, damit der CAP-Markt das Notzinger Lädle übernimmt und damit die Nahversorgung sichert. Nun kam Klaus Korschinek, Leiter der Filderwerkstatt, zusätzlich zur Tagesordnung in den Gemeinderat, um ausführlich über die CAP-Märkte zu informieren. Der Bürgermeister versicherte, er habe zuvor einige Tassen Tee der Sorte „Harmonie“ getrunken. Der wundersame Trunk schien eine positive Wirkung aufs ganze Gremium zu haben. Bundesweit gibt es bereits über 100 CAP-Märkte. „Es geht nicht primär ums Geldverdienen, sondern um die Integration behinderter Menschen“, sagte Korschinek. Einige könnten aus dem Wohnverbund „Die Arche“ in Notzingen kommen. Für andere wäre der Bushalt direkt vor dem Laden optimal. „Menschen müssen sich nicht mehr verstecken, sind mitten in der Gemeinde“, wünscht sich Korschinek. Der Laden in Notzingen würde mit bis zu 3 500 Artikeln ein größeres Sortiment anbieten als ein Discounter, der es laut Korschinek auf 999 Quadratmetern Fläche auf 1 200 bis 1 800 Artikel bringt. „Die Artikel werden bei uns nicht auf Paletten oder in Kartons, sondern einzeln eingeräumt präsentiert.“ Brot, Fleisch und Wurst brächten einem CAP-Markt Verlust, sagte Korschinek, doch damit sei Notzingen gut versorgt. „In Neuhausen haben die benachbarten Geschäfte beispielsweise im zweiten Jahr des CAP-Markts um 30 Prozent an Umsatz zugelegt.“

Für eine Neueröffnung darf die Filderwerkstatt kein Geld aus der Werkstatt abziehen, sie hätte es auch gar nicht. Also braucht sie einen Zuschuss, den sie als Eigenkapital der Bank präsentiert und damit ein KfW-Darlehen erhält. Dann kann sie die nötigen rund 200 000 Euro investieren. Sie gibt eine Zusage, den Laden mindestens fünf Jahre lang zu betreiben. Mit einer Ausstiegsklausel: sollte die Gemeinde während dieser Zeit die Ansiedlung eines Discounters zulassen, der dem CAP-Markt das Wasser abgräbt. Wer in einem CAP-Markt arbeitet, schafft im Durchschnitt etwa 25 bis 30 Prozent der normalen Arbeitsleistung. In den Märkten wird auch eine dreijährige Ausbildung angeboten. Je länger ein Standort geschlossen sei, desto schwieriger werde es, ihn wieder zu beleben, warnte Korschinek – je nahtloser, desto besser. Es gehe um eine Anschubfinanzierung, nicht um eine Dauersubvention. Nach zwei bis vier Jahren solle der Laden rentabel sein. Wie viele CAP-Märkte wieder geschlossen wurden? Von mehr als 100 nur fünf, antwortete Korschinek. Wichtig seien Parkplätze direkt vor dem Laden. Man müsse die Dauerparker vertreiben, forderte darauf ein Gemeinderat.

Haumacher hat sich beim Landratsamt über die Rechtslage erkundigt: Die Gemeinde müsse sich wettbewerbsneutral verhalten. Voraussetzung sei, dass die Forderung nach einer Nahversorgung nicht anders erreicht werden könne. Haumacher regte an, ob nicht anstelle der Gemeinde der Krankenpflege-Förderverein die Anschubfinanzierung übernehmen könne. Dessen Erster Vorsitzender, der evangelische Pfarrer Edgar Tuschy, will prüfen, ob das satzungskonform wäre. Noch vor der Sitzung des nächsten Gemeinderats wird der Verein beraten. Am 1. Juni will der Gemeinderat dann entscheiden.

Am Dienstag, 19. Mai, um 19.30 Uhr lädt die „Initiative Notzinger Lädle“ ins Bürgerhaus ein. Es sprechen der Leiter der Filderwerkstatt, Klaus Korschinek, der Vorstand des Fördervereins der CAP-Märkte im Landkreis Esslingen, Dieter Hoff, und der Vermieter des Gebäudes in der Ortsmitte, Eberhard Kühnle.

CAP-Markt in Neuhausen auf den Fildern

Der CAP-Markt im Zentrum von Neuhausen auf den Fildern, das gut dreimal so viele Einwohner wie Notzingen zählt, wurde im Jahr 2002 eröffnet. Im Rahmen einer umfangreichen Ortskernsanierung hat die Gemeinde den Start mit 150 000 Euro gefördert, sagt Bernd Schober, Amtsleiter des Haupt- und Personalamts. Nur so habe sich die Grundversorgung sichern lassen. Zwar gebe es in Neuhausen noch zwei weitere Lebensmittelmärkte. „Aber ältere Menschen kommen nicht an die Peripherie“, so Bernd Schober. Würde der CAP-Markt wegbrechen, wäre das ungut, sagt Schober. Doch hat er keinen Grund zu dieser Befürchtung: Der Markt hält sich schon seit 13 Jahren.