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Der Zeitreisende

Stadtbücherei-Serie: Erich Traier lebt nicht nur im Hier und Jetzt

Erich Traier nutzt nicht nur die Bücher in Kirchheim: Oft bestellt er sie auch per Fernleihe.Foto: Jean-Luc Jacques
Erich Traier nutzt nicht nur die Bücher in Kirchheim: Oft bestellt er sie auch per Fernleihe.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Erich Traier kann sich über Langeweile nicht beklagen. Der Senior hat frühzeitig ein vielfältiges Freizeitprogramm ausgetüftelt, das

ihn vor quälendem Nichtstun schützen soll. Die Kirchheimer Büchereikarte, die schon seit 38 Jahren in seiner Geldbörse steckt, ist ihm der Schlüssel zu früheren Zeiten.

Erich Traier hat eine Faszination für Geschichte, die ihn schon seit Lebzeiten begleitet. Woher sie kommt, kann er gar nicht richtig erklären. „Das bewegt und interessiert mich eben mehr als alles andere“, versucht er einen Anfang. Und dann fehlen ihm die Worte wieder.

Von Herzog Christoph von Württemberg bis zu den Brüdern Grimm liest er alles über historische Personen. Wird es einmal ganz speziell, greift er auf die Fernleihe der Stadtbücherei zurück. Dank Kooperation mit anderen Bibliotheken ist so fast jedes Buch auch in Kirchheim erhältlich. „Die 2,50 Euro zahle ich da gerne“, sagt Erich Traier. „Sonst müsste ich mir eine Fahrkarte nach Stuttgart kaufen – und das wäre viel teurer.“

Um andere an seinem Enthusiasmus teilhaben zu lassen, ist Erich Traier im Schwäbischen Heimatbund aktiv. Das Wissen, das er sich mit der Zeit angeeignet hat, gibt es gerne weiter. Nicht selten stürzt er sich auch in ganz neue Themen, vergräbt sich für ein paar Tage in seinen Büchern und kommt als Spezialist auf dem Gebiet wieder zurück. Auf Vorträgen und Exkursionen berichtet er von seinem neuen Wissen und macht lebendig, was längst vergessen war.

Dabei ist er ganz in seinem Element und gestikuliert temperamentvoll mit seinen Händen. „Zu einem Vortrag gehört immer auch ein bisschen Schauspiel dazu“, sagt Erich Traier, der es gar nicht leiden kann, wenn man ihm zwecks besserer Akustik ein Mikro in die Hand drückt. Sein Talent macht sich der ehemalige Grundschullehrer auch anderweitig zunutze: Sobald ihm das erste weiße Haar aus dem Kopf spross, kam eine engagierte Mitarbeiterin der Bücherei auf ihn zu, um ihm das Lese-Paten-Projekt in Schulen und Kitas ans Herz zu legen. Über zehn Jahre ist das nun her.

Seither hat die Kindertagesstätte der Bücherei in Erich Traiers Freizeitprogramm sogar den Rang abgelaufen: Jede Woche kommt er in die Teckstraße und liest den Fünf- und Sechsjährigen aus Kinderbüchern und klassische Märchen von den Brüdern Grimm und Hans Christian Andersen vor.

„Ich hoffe, dass aus den Kindern auch mal Leser und Leserinnen werden“, sagt er. Dafür tut er beim Vorlesen alles: „Mal gibt es eine Figur mit einer piepsigen und dann wieder jemanden mit einer brummigen Stimme. Das muss man mit dem ganzen Körper rüberbringen.“ Die Kinderbücher erhält er übrigens, wer hätte es gedacht, auch aus der Stadtbücherei.