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Die Archäologie geht in die Luft

Am Kirchheimer Hegelesberg graben Dr. Jörg Bofinger und sein Archäologen-Team in der Vergangenheit. Die Forscher vom Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen haben ihre Augen überall – dank moderner Drohnentechnik auch in der Luft.

Die Archäologie geht in die Luft
Die Archäologie geht in die Luft

Kirchheim. Dr. Christoph Steffen bringt seinen weißen Quadrokopter auf dem Grabungsgelände in Position. Sekunden später hebt das Gerät mit lautem Summen unter den Augen von 25 Besuchern ab, die seinen Flug über das Gelände aufmerksam verfolgen. Johann Ohm ist beeindruckt. Der Hobbyarchäologe weiß, wie viel Arbeit in der Feldforschung steckt. Zentimeter für Zentimeter hat er selbst Fundareale vermessen, kartiert, skizziert und Daten zusammengetragen, um eine Gesamtansicht zu erstellen. „Das ist anstrengend, aufwendig und dauert lang“, erzählt er.

Und genau das ist das Problem, wie Jörg Bofinger beim Blick über das Gelände bemerkt. Denn dort, wo sein Team im Boden nach Überresten einer Siedlung aus dem sechsten Jahrtausend vor Christus fahndet, rollen Laster vorbei und graben Bagger tief im Erdreich, um den Grundstein für ein Gewerbegebiet zu legen. „Die Grabungen müssen deshalb schnell gehen“, berichtet Bofinger. „Mit der Drohne, an deren Unterseite eine hochauflösende Kompaktkamera hängt, lassen sich in wenigen Minuten sehr viele Einzelbilder aufnehmen.“

Das will sich Johann Ohm genauer ansehen. Alle zwei Sekunden schießt die Kamera ein Bild, das in Echtzeit auf einen Monitor übertragen wird. Für einige Augenblicke fliegt der Kirchheimer mit in die Jungsteinzeit. Er sieht dunkle Grundrisse von bis zu 30 Meter langen Häusern und Pfostengruben, in denen einst massive Holzpfosten standen, die zum Gerüst der Hauswand gehörten – Zeugnisse, die über Jahrtausende hinweg unter der Erde erhalten blieben und durch das fliegende Auge sichtbar werden.

„Aus Hunderten von Aufnahmen, die in einer Höhe von etwa 16 bis 25 Metern entstanden sind, lassen sich mit speziellen Computerprogrammen millimetergenaue, dreidimensionale Pläne berechnen“, erklärt Christoph Steffen. Ein Teil der Arbeit, die vor dem Drohnen-Einsatz oft Tage in Anspruch genommen hat, lasse sich so an den Rechner verlegen. Gerade wenn wie am Hegelesberg Grabungsstätten schnell kartiert und Funde rasch gesichert werden müssen, hilft die moderne Technik, wertvolle Zeit zu sparen. Jörg Bofinger ist deshalb sicher, dass das Team bis zum Herbst das jungsteinzeitliche Dorf vollständig dokumentiert hat.

Der Grabungsleiter hält einige Funde in seinen Händen. Bruchstücke von Gefäßen, die bandförmige Verzierungen tragen, bringen die Teilnehmer der Besichtigung zum Staunen. Als Bofinger ein paar Silexklingen in die Höhe hält, fragen einige sofort, ob sie das Jahrtausende alte Steinwerkzeug einmal anfassen dürfen. Vorsichtig fahren sie mit dem Finger die scharfe Schnittkante entlang. „Wofür wurde das benutzt?“, möchte einer der Teilnehmer wissen. „Das ist ein Schaber, mit dem beispielsweise Fleischreste vom Leder entfernt wurden“, antwortet der Experte prompt. „Wir haben Werkzeuge gefunden, die aus Steinmaterial waren, das aus Südostbayern stammt. Dorthin müssen also Beziehungen bestanden haben.“

Bofingers Besucher scharen sich um die Fundstücke. Fotos werden gemacht, Fragen gestellt und Vermutungen geäußert. Der eine oder andere Hobbyarchäologe würde am liebsten selbst im Untergrund forschen. Ekkehard Reichelt jedenfalls ist gespannt, ob die Archäologen noch eine Grabstätte finden. Jörg Bofinger schließt das nicht gänzlich aus. „Doch dann bekommen wir ein ernsthaftes Problem mit der Zeit“, sagt der Grabungsleiter.

Die Archäologie geht in die Luft
Die Archäologie geht in die Luft
Mit einer Kompaktkamera ausgestattet, helfen die Drohnen, Pläne vom Ausgrabungsgelände zu erstellen.Fotos: Daniela Haußmann.
Mit einer Kompaktkamera ausgestattet, helfen die Drohnen, Pläne vom Ausgrabungsgelände zu erstellen.Fotos: Daniela Haußmann.