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Die Bücher ziehen um

Lesen Vom Rathaus geht‘s im Frühjahr in die schönen Räume des geschlossenen Buchcafés. Die Büchereileiterin freut sich über die spontane Aktion. Von Iris Häfner

Die Dettinger Bücherei zieht ins alte Gemeindehaus. Darüber freuen sich alle Beteiligten: Christine Hahn, Leiterin der Dettinger
Die Dettinger Bücherei zieht ins alte Gemeindehaus. Darüber freuen sich alle Beteiligten: Christine Hahn, Leiterin der Dettinger Bücherei, Pfarrer Daniel Trostel und Amelie Betz, Leiterin des Dettinger Haupt- und Ordnungsamts (von links). Foto: Jean-Luc Jacques

Christine Hahn zieht mit ihren Büchern von Rathaus zu Rathaus - vom Hinterzimmer des aktuellen in die repräsentativen Räume des einstigen der Nachkriegszeit. „Das ist eine doppelte Win-win-Situation“, sagt Hausherr Daniel Trostel. Er ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde und der wiederum gehört das alte Gemeindehaus, in dem bis Jahresende das Buchcafé untergebracht ist, corona-bedingt aber schon jetzt seine Pforten geschlossen hat. „Die bürgerliche Gemeinde bekommt tolle Räume für die Bücherei, wir als Kirchengemeinde einen verlässlichen Mieter. Die Bevölkerung wiederum hat an zentralem Ort die Bücherei und muss auf das Café nicht verzichten“, fasst der Pfarrer in Kurzform das tolle Konzept zusammen.

Ins Rollen gekommen ist das Ganze, als der Inhaber des Buchcafés, Stefan Fink, auf die Kirchengemeinde zugekommen ist, und seine Entscheidung mitgeteilt hat, dass er den Laden schließt. „Für uns als Vermieter stellte sich daraufhin die Frage: Wie geht es weiter?“, sagt Daniel Trostel. Kurz darauf kam es zu einem Treffen mit Bürgermeister Rainer Haußmann, und der zeigte prinzipiell Interesse am Gebäude.

Langfristig soll die Bücherei in die Schlössleschule umziehen. Dort werden derzeit noch die Klassen eins und zwei unterrichtet. „Im September 2022 ziehen Schule und Hort in die Teckschule um. Vor 2025/26 ist es aber nicht realistisch, dass die Schlössleschule umgebaut werden kann“, erklärt Amelie Betz, Leiterin des Dettinger Haupt- und Ordnungsamts. Dort ist eine öffentliche Nutzung und Wohnen vorgesehen. Der Schwäbische Albverein hat dort schon im Keller seine Räume, der Geschichtsverein liebäugelt mit einem Museum für die Dettinger Ortsgeschichte und die Bücherei will dort Veranstaltungen anbieten.

„Als erster Schritt ist die Bücherei ab Frühjahr nun kurz- und mittelfristig im alten Gemeindehaus untergebracht. Es wird nicht dauerhaft sein, es ist quasi ein Übergangsprozess“, erläutert Amelie Betz. Es gab mehrere Interessenten für das Gebäude, verrät der Pfarrer. „Wir wollen diese zentrale Stelle ,in der City‘ als Ort der Begegnung erhalten. Man kann weiterhin in Büchern schmökern - und nebenbei Kaffee trinken und im Sommer auf dem Kirchplatz oder im Gemeindehaus-Garten sein Eis essen. So bleibt das Leben in der Ortsmitte erhalten“, findet Daniel Trostel die Komibination hervorragend.

„Wir wollten nicht, dass dieses bescheidene Jahr 2020 auch noch mit der Schließung des Buchcafés endet - es geht weiter in anderer Form“, blickt Amelie Betz optimistisch in die Zukunft. Darüber freut sich insbesondere Christine Hahn. Schon vor rund einem Jahr hat sie begonnen, ein Konzept für die Schlössleschule zu erarbeiten, das gerade in der Prüfung ist. Wie die Kooperationspartner Alb- und Geschichtsverein integrieren, beispielsweise mit Ausstellungen, Museumsbetrieb und Veranstaltungen. „Das A und O ist der Kontakt zum Kunden“, sagt die Büchereileiterin. Sie ist froh, dass ihre Einrichtung aus dem Hinterzimmer an zentraler Stelle in den Fokus rückt. „Ich habe mich nicht getraut, diese Idee auszusprechen. Ich war sofort der Überzeugung, dass es die richtige Entscheidung ist“, sagt sie. Dettingen wäre wieder einmal Vorreiter, denn eine Bücherei mit integriertem Café-Betrieb gebe es in der Region nicht.

Im Moment arbeiten alle gemeinsam an einem Konzept, denn es gibt offene Fragen: Wer betreibt das Café und wie sehen die Öffnungszeiten aus? Gute Vorarbeit wurde schon geleistet, denn die Bücherei hat Geld vom Deutschen Bibliotheksverband bekommen und in die RFID-Technologie investiert. Jedes Buch hat einen Chip, der von einem Gerät eingelesen werden kann. Somit kann jeder Café-Besucher, der einen Büchereiausweis hat, den Roman seiner Wahl ausleihen, auch wenn Christine Hahn nicht vor Ort ist. Deren Arbeitsalltag geht normal weiter. Dreimal zwei Stunden in der Woche kommen Schulklassen zu ihr, auch im Lesezimmer der Teckschule ist sie regelmäßig zu Gast - wenn keinen Pandemie herrscht. „Es gibt genügend zu tun. Die verstaubte Bibliothek gibt es nicht mehr“, sagt Christine Hahn.