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Die Energiewende ist längst vorgedacht

Klimawandel Schon vor mehr als 30 Jahren setzte sich der Flugzeugbauer Ludwig Bölkow für erneuerbare Energien und deren Speicherung durch Wasserstoff ein. Willi Heidenreich aus Nabern erinnert daran. Von Andreas Volz

Willi Heidenreich (oben) zeigt das Buch mit der 33 Jahre alten Grafik, die er nun ganz ähnlich in der Zeitung entdeckt hat. Foto
Willi Heidenreich (oben) zeigt das Buch mit der 33 Jahre alten Grafik, die er nun ganz ähnlich in der Zeitung entdeckt hat. Fotos: Markus Brändli

Nicht nur Freitage sind dafür da, um an die Zukunft zu denken. Und es sind auch nicht nur junge Leute im Gefolge von Greta Thunberg, die sich Gedanken um ökologische Fußabdrücke und saubere Energiequellen machen. Willi Heidenreich aus Nabern, langjähriger Abteilungsleiter bei MBB, verweist darauf, dass einer der Namensgeber seiner alten Firma, Ludwig Bölkow, schon vor 35 Jahren visionäre Ziele verfolgt hat.

Es geht um Energie, die weder in der Herstellung noch im Verbrauch die Umwelt belastet, die weder CO2 ausstößt noch Feinstaubalarm auslöst. Am einstigen MBB-Standort in Nabern wird schon lange genug am Brennstoffzellenmotor geforscht. Auf dem Markt sind die Wasserstoff-Fahrzeuge aber immer noch nicht.

Bereits in den 80er-Jahren gab es private Pioniere, die sich daran machten, auf ihren Dächern Sonnenenergie einzufangen. Einer, der das großflächig forderte, war Ludwig Bölkow. Im Juni 1985 hielt er den Eröffnungsvortrag für die Photovoltaik-Ausstellung in Bonn, sagt Willi Heidenreich: „Photovoltaik war damals sehr teuer. Das ist erst in den letzten Jahren deutlich günstiger geworden.“

Was hat nun aber Photovoltaik mit Wasserstoff zu tun? Sehr viel, denn das eine hat ohne das andere nur wenig Sinn. „Die Speicherung ist das entscheidende Thema“, führt der Ruheständler in seinem Naberner Garten aus, „und mich hat es schon immer gewundert, dass die Energiewende ohne Speicher vonstatten gehen soll.“ Die Wasserkraft habe das einst vorgemacht, mit den Pumpspeicherkraftwerken. Diese nutzen überschüssige Energie außerhalb der Spitzenlastzeiten, um das Wasser wieder nach oben zu pumpen. Gespeichert wird also nicht der Strom selbst, sondern nur das Wasser in höherer Lage, mit dem sich Strom erzeugen lässt.

Überschuss wird zu Wasserstoff

Wasserstoff wiederum bietet eine Möglichkeit, die Energie zu speichern, die der Strom liefert. Wie beim Pumpspeicherkraftwerk geht es um überschüssige Energie - aus Windkraft- oder Solaranlagen -, die nicht verbraucht wird, die ohne Speicherung aber verpufft. Viele Windräder stehen nur deshalb still, weil sich der Strom, den sie produzieren könnten, nicht aktuell nutzen oder für später speichern lässt. Willi Heidenreich fehlt dafür jedes Verständnis: „Da werden Terrawattstunden weggeschmissen, anstatt sie umzuwandeln und zu speichern.“

Völlig klar ist es für ihn, dass der Strom zur Wasserstoffgewinnung aus erneuerbaren Energien stammen muss. Das können Windkraftanlagen im Meer sein oder Solaranlagen in der Wüste. Letzteres wird seit einiger Zeit als Energieform der Zukunft angepriesen. Dabei gehört es zu den Prinzipien, die Ludwig Bölkow schon vor Jahrzehnten propagiert hat. Willi Heidenreich schüttelt den Kopf: „Ich verstehe nicht, warum man das nicht schon längst großflächig umgesetzt hat.“

Für den Privatgebrauch dürften Elektroautos mit Batterien vollkommen reichen, meint er. Voraussetzung: „Es müsste eine bessere Infrastruktur dafür geben.“ Wer weitere Fahrten unternehmen will, dem könnten Hybrid-Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Das größte Potential für den Wasserstoff sieht der Naberner im Schwerlast- sowie im Flugzeug- und Schiffsverkehr.

„Mit Wasserstoff betriebene Flugzeuge stellen so gut wie keine Umweltbelastung mehr dar, wenn der Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.“ Teurer als fossile Brennstoffe wäre diese Energie zwar durchaus. Aber auch das sei kein großes Problem: „Das ist ein einfaches Rechenexempel. Wenn man alle Folgekosten für die Umwelt berücksichtigt, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Dann wäre Wasserstoff eine günstigere Alternative zu dem, was wir jetzt haben. Öl und Benzin sind ohnehin viel zu billig und die Transportkosten viel zu niedrig.“

Die technischen Voraussetzungen für eine funktionierende Energiewende gibt es also schon längst: Der Ingenieur wunderte sich vor ein paar Wochen über eine Grafik in der Zeitung, die darstellte, wie sich Strom aus Wind- oder Solarenergie erzeugen und für die Elektrolyse von Wasser nutzen lässt. Der Wasserstoff, der dabei entsteht, ist speicherbar und lässt sich bei Bedarf jederzeit wieder in Strom umwandeln, ebenso wie in Wärme oder Kraft. Eine vergleichbare Grafik hat Willi Heidenreich schon lange in seinem Bücherregal: Sie findet sich in einem Buch von 1987 mit dem Titel „Ludwig Bölkow und sein Werk“.

Gespr. bei Willi Heidenreich über die Geschichte der Wasserstoffzellen
Gespr. bei Willi Heidenreich über die Geschichte der Wasserstoffzellen

Ludwig Bölkow und die kommenden Generationen

„Lokalpatriotismus“ nennt Willi Heidenreich als Motivation, um auf die visionären Ideen Ludwig Bölkows aufmerksam zu machen: „Nabern war zwar ein Standort für Wehrtechnik, aber Bölkow ist eben sehr viel mehr als nur Wehrtechnik.“

Ludwig Bölkow (1912 bis 2003) gründete 1983 in Ottobrunn die Ludwig-Bölkow-Stiftung, um Technologie ökologischer zu gestalten. Nach Wikipedia beschrieb der Flugzeugbauer das Ziel seiner Stiftung wie folgt: „Durch die Betrachtung von weit vor uns liegenden Zeiträumen sollen Maßstäbe für heutiges Handeln gefunden werden. Dies ist angesichts der Trägheit der grundlegenden Umstellungsvorgänge in Technik und Gesellschaft keine intellektuelle Spielerei, sondern von existenzieller Bedeutung für die Menschheit. Die Stiftung soll gerade hier begründete Aussagen erarbeiten und diese unabhängig von Einzelheiten in - auch für Nichtfachleute - fassbarer Form verbreiten und so Entscheidungen für die kommenden Generationen heute durchsetzbar machen.“ vol