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„Die EU hat letztlich versagt“

Flüchtlingskrise: Michael Hennrich hofft auf Ergebnisse in zwei bis drei Monaten

Zur Halbzeit der Legislaturperiode sieht der Kirchheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich „extremen Druck im Kessel“. Das liegt aber nicht an der Arbeit der Koalition, sondern an dem Thema, das derzeit alles andere überlagert: die Flüchtlingskrise.

Michael Hennrich - BundestagsabgeordneterMDBCDU
Michael Hennrich - BundestagsabgeordneterMDBCDU

Unterensingen. Angesichts der aktuellen Flüchtlingspolitik sagt Michael Hennrich: „Ich spüre, dass wir da jetzt vor einer Aufgabe stehen, die alles andere in den Schatten stellt.“ Zwei Dinge stellt er in diesem Zusammenhang klar heraus: „Wir kommen da an unsere Grenzen, was Kapazitäten und Integrationskraft betrifft.“ Andererseits ist er jedoch der Meinung, dass sich eine Lösung finden lässt. Bis dahin aber bittet er die Bevölkerung um einen Vertrauensvorschuss für die Bundesregierung.

Er selbst hat allerdings viel von seinem früheren Vertrauen verloren – in die Europäische Union: „Das ist meine größte politische Enttäuschung in den letzten fünf Jahren. Die EU hat Dinge verpennt und sich nicht darum gekümmert. Sie hat letztlich versagt.“ Diese EU-Schelte bringt Hennrichs Gefühlslage zum Ausdruck: „Ich bin immer ein glühender Verfechter des europäischen Gedankens gewesen. Aber jetzt bin ich nur desillusioniert und total frustriert.“

Alles andere als begeistert ist er von Partnern, „für die wir eintreten, die sich aber keineswegs um das Thema Flüchtlinge kümmern wollen“. Und dabei handle es sich nicht nur um Staaten im Osten der Union. Auch Frankreich und Großbritannien müssten nach Ansicht von Michael Hennrich „damit mehr zu tun haben wollen“. Deutschland könnte sich nach geltender Rechtslage ja eigentlich auch völlig zurückziehen und alle Flüchtlinge an die Grenzen zurückschicken, über die sie eingereist sind. Das tue Deutschland aber nicht, aus gutem Grund: „Das Problem Flüchtlingskrise lässt sich nur auf gesamteuropäischer Ebene lösen.“

Für eine solche Lösung brauche es einen fairen Verteilungsschlüssel, eine bessere und konsequentere Sicherung der EU-Außengrenzen sowie Ansätze, das Problem bereits in den Herkunftsländern zu lösen, beispielsweise für bessere Bedingungen in syrischen Flüchtlingslagern zu sorgen. Dazu müssten auch Gespräche mit der Türkei, dem Libanon und Jordanien geführt werden. Überhaupt setzt Michael Hennrich auf eine stärkere Zusammenarbeit „mit der arabischen Welt“. Mit ihr sowie mit Russland müsse sich der Westen abstimmen, wenn sich in Syrien etwas bewegen soll. Der Kirchheimer Abgeordnete schließt auch ein gemeinsames militärisches Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft nicht aus, um den IS-Terror zu bekämpfen und so einen wichtigen Fluchtgrund aus der Welt zu schaffen.

Bei Asylsuchenden aus dem Westbalkan sieht Michael Hennrich bereits Lösungen. Gegebenenfalls seien hier Möglichkeiten zur Arbeitsmigration zu schaffen, wenn die betreffenden Personen einen Arbeitsvertrag vorweisen könnten: „Aber das geht nicht über den Asylantrag.“ Gleiches gelte für Flüchtlinge aus Afrika. Auch da sei über eine begrenzte Arbeitsmigration nachzudenken. Ansonsten seien auch hier die EU-Außengrenzen wirksamer abzuschotten, vor allem in Italien und Griechenland. Als Kooperationspartner sieht Michael Hennrich in diesem Fall Tunesien: „Die Tunesier haben ein ganz großes Interesse an Aufnahmeeinrichtungen auf tunesischem Boden. Das wäre für sie auch eine Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu entwickeln.“

Hennrich ist zuversichtlich, dass bis in zwei oder drei Monaten brauchbare Ergebnisse vorliegen, um die Flüchtlingskrise bewältigen zu können. Im Inneren gehe es gleichfalls darum, Lösungen zu finden. In erster Linie brauche es neue Wohnungen. Dafür könne man vorübergehend auch einmal die Landesbauordnung oder die Energieeinsparverordnung außer Kraft setzen. Leerstehenden Wohnraum zu beschlagnahmen, hält er aber für den falschen Weg: „Zwang würde Missmut erzeugen. Wir brauchen hier aber gesellschaftliche Akzeptanz und einen breiten Konsens.“

Die Bundesregierung habe jetzt 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, als finanzielle Unterstützung für die Kommunen zur Versorgung von Flüchtlingen. Bei höherem Zustrom werde auch diese Summe entsprechend erhöht. Allerdings könne der Bund die Mittel nicht direkt an die Kommunen weitergeben, und der Umweg über die Länder führe dazu, dass dort Geld hängen bleibe.

Die Flüchtlingsthematik überlagert alles so sehr, dass Michael Hennrich im Pressegespräch kaum mehr dazu kommt, andere Politikfelder anzusprechen, obwohl dort Großartiges geleistet werde. Derzeit beschäftigt er sich als „dienstältester Gesundheitspolitiker im Bundestag“ mit der Krankenhausstrukturreform, dem e-Health-Gesetz, dem Pflegestärkungs- und dem Pflegeberufegesetz sowie mit dem Palliativ- und Hospizgesetz und mit der Arzneimittelpolitik. „Wir bewegen da viel“, meint er selbstbewusst und fügt hinzu, dass auch Renten und Krankenversicherungen derzeit wenig Anlass zur Sorge böten, dass aber über die aktuelle Erhöhung der Renten kaum gesprochen werde. Es scheint in der Politik eben doch vor allem das Thema „Flüchtlinge“ zu geben.

Foto: Jean-Luc Jacques