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Die Figuren sind Begleiter auf Zeit

Gespräch Dem Frage- und Antwortspiel gibt Benedict Wells soviel Raum wie der Lesung.

Benedict Wells machte sein Versprechen wahr, das Publikum einzubeziehen. Der Autor scheut Interviews und öffentliche Auftritte im Fernsehen. Die Antworten widerlegen die Klischeevorstellungen vom genialen Künstler, der seine Eingebungen intuitiv aufs Papier bringt. Schreiben ist nicht nur Begabung, sondern auch Handwerk.

Wie schreiben Sie? Wie entsteht bei Ihnen ein Text?

Benedict Wells: Eine erzählte Zeit von 35 Jahren bringt eine Menge Stoff mit sich. Insgesamt habe ich sieben Jahre daran gearbeitet. Meine erste Fassung hatte über achthundert Seiten. Ich habe weder ein Studium noch eine Schreibwerkstatt hinter mir. Deshalb taste ich mich durch Feedback an die Endfassung heran. Fünf Kritiker bekommen die Erstfassung zu lesen. Nach der Prüfung ihrer Änderungsvorschläge streiche ich oder arbeite um. Über jeden Satz wird nachgedacht. Schluss ist dann, wenn ich spüre: „Das ist es jetzt.“ Schließlich waren vierhundert Seiten gestrichen. Ein Beispiel für eine Streichung ist die ursprüngliche Passage über das Vorleben des Vaters. Jules hatte die Kenntnis aus dem gefundenen Tagebuch. Doch das hätte die Gewichte verschoben. Also wurden die fünfzig Seiten gestrichen.“

Fühlen Sie sich als Erfolgsautor unter Druck?

Wells: Nein. Ich kann nur schreiben von innen heraus und ich lasse mir Zeit, im Schnitt vier Jahre. Nicht in jedem Buch werde ich mich mit großen Themen wie Veränderung, Einsamkeit und Tod beschäftigen. Als nächstes werde ich ein Jugendbuch schreiben. Schreiben soll auch Spaß machen.

Träumen Sie von ihren Figuren?

Nein. Die Figuren sind Begleiter auf Zeit. Sie können zeitweise auch verschwinden, zum Beispiel wenn ich gleichzeitig an einem anderen Werk arbeite. Umso größer ist dann der Wunsch, ihnen wieder zu begegnen. Nicht schreiben ist sehr wichtig für das Schreiben.

Wissen Sie, wie es ausgeht?

Ja. Das Ende diktiert die Geschichte. Es bestimmt den Ton der ganzen Geschichte.

Welche stilistischen Vorbilder haben Sie?

Ich schätze den knappen, präzisen Erzählstil der amerikanischen Erzähltradition, nicht die komplizierte Syntax der deutschen. Ich strebe einen einfachen, aber keineswegs simplen Stil an, wie John Williams in seinem „Stoner“.

Haben Sie sich beim Schreiben selbst verändert?

Nein. Ich bin alle Figuren gleichzeitig. Es gibt nur sprachliche Änderungen.ust