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Die Kostenexplosion belastet die Medius-Kliniken im Kreis

Gesundheit Die Krankenhäuser dürfen die extrem gestiegenen Ausgaben nicht an die Patienten weitergeben. Auch die Medius-Kliniken haben aktuell mit einigen Problemen zu kämpfen und fordern Finanzhilfen. Von Lutz Selle

Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) hat die Alarmstufe Rot ausgerufen. Deren Hauptgeschäftsführer Matthias Einwag stellt in einer Pressemitteilung fest: „Die Folgen der Corona-Pandemie belasten die Krankenhäuser weiterhin und in dieser Situation trifft sie die aktuelle Kostenexplosion mit voller Wucht. Denn während Energieversorger, Medizinproduktehersteller, Lebensmittellieferanten und Dienstleister durchgängig ihre Preise erhöhen, bleiben die Kliniken bisher auf den immensen Zusatzkosten sitzen. Wir reden hier von 640 Millionen Euro im Land. Das bezahlt niemand aus der Portokasse.“

Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben konnten die Krankenhausvergütungen in diesem Jahr nur um 2,3 Prozent steigen und unterjährige Preiserhöhungen seien nicht möglich. Auch ein Nachholen im kommenden Jahr sei gesetzlich nicht vorgesehen. 61 Prozent der baden-württembergischen Krankenhäuser hätten keine Reserven mehr und rechnen für 2022 mit roten Zahlen. „Die Krankenhäuser benötigen jetzt sofort einen Inflationsausgleich in Form eines Rechnungsaufschlags von vier Prozent und das Wiederanlaufen der Corona-Hilfen“, fordert Einwag. Die Bundespolitik müsse einen Kurswechsel vollziehen.

 

Wir gehen aktuell im besten Fall von einer Kostensteigerung von mindestens zwei Millionen Euro aus.
Sebastian Krupp, Geschäftsführer der Medius-Kliniken

 

Der bundesweiten Kampagne „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Gefahr“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) haben sich neben dem Klinikum Esslingen auch die Medius-Kliniken mit ihren drei Standorten in Kirchheim, Nürtingen und Ruit angeschlossen. Medius-Kliniken-Geschäftsführer Sebastian Krupp sagt: „Wir unterstützen aus voller Überzeugung diese Kampagne. Die aktuellen Rahmenbedingungen schaffen einen enormen wirtschaftlichen Druck für die Kliniken. Wir haben Ende Juli dieses Jahres in der Spitze 96 stationäre Corona-Patienten in unseren Häusern gleichzeitig versorgt – so viele wie nie zuvor.“ Der enorme Aufwand, diese Isolationspatienten zu versorgen, bestehe also unverändert weiter. „Aber seit Juni gibt es keinerlei Corona-Hilfen mehr.“

Ausufernde Dokumentationspflichten würden das Klinikpersonal zusätzlich belasten und dessen Arbeit weiter erschweren. „Zusätzlich führt die Inflation zu unabwendbaren Kostensteigerungen, insbesondere in den Bereichen Energie, Medizinprodukte und Lebensmittel.“ Dem gegenüber stehe ein „starres“ Vergütungssystem. Die Leistungsvergütung in den Kliniken sei festgesetzt „und kann von uns nicht beeinflusst werden“. Anders als in der freien Wirtschaft könnten die Kostensteigerungen nicht an die Patienten weitergegeben werden.

„Vor dem Hintergrund dieser großen Unsicherheiten ist es bedauerlich, dass über die Hälfte der Krankenhäuser im Land immer noch keine Budgetvereinbarungen mit den Krankenkassen abschließen konnten“, so Krupp weiter. „Dies führt für die Kliniken zu einer enormen Planungsunsicherheit insbesondere in Bezug auf die Ausfinanzierung der dringend benötigten Pflegekräfte. Hinzu kommen die Investitionskosten, deren Förderung durch das Land die tatsächlichen Kosten nicht deckt. Folglich müssen auch diese aus dem laufenden Betrieb erwirtschaftet werden.“

Sollten die Energiepreise auf dem aktuellen Niveau bleiben, würden die Energiekosten des Esslinger Klinikums im Jahr 2023 laut eigener Aussage um über fünf Millionen Euro steigen. Für die Medius-Kliniken sagt Geschäftsführer Krupp: „Wir gehen aktuell im besten Fall von einer Kostensteigerung von mindestens zwei Millionen Euro aus.“ Allein für FFP2-Masken hatten die Medius-Kliniken seit Beginn der Pandemie rund 3,5 Millionen Euro ausgeben müssen.

 

Keine Operationen wegen Personalmangels

Auch unter dem Fachkräftemangel haben die Krankenhäuser derzeit zu leiden. Die hohe Arbeitsbelastung hat bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einiger Krankenhäuser die Frustration erhöht, was den Personalmangel in der Zukunft noch verstärken könnte. Dazu sagt Krupp: „Die Medius-Kliniken haben viele Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität umgesetzt. Diese Bemühungen haben sich ausgezahlt. So ist es uns gelungen, in den vergangenen drei Jahren insbesondere auch in den Bereichen Pflege und Ärztlicher Dienst kontinuierlich Personal aufzubauen. Dennoch haben auch wir in der Pflege sowie in einzelnen medizinischen und adminis­trativen Bereichen offene Stellen zu besetzen.“

Viele Kliniken im Land haben wegen Personalmangels bereits Betten geschlossen. Fast 80 Prozent der Krankenhäuser gehen davon aus, dass sie im Herbst planbare Operationen wegen Personalmangels absagen müssen. Das ist „insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie“ auch in Nürtingen ein Problem. „Aufgrund der hohen Anzahl an Isolationspatienten, vielen Krankheitsausfällen beim Personal und daraus resultierenden Bettenschließungen sind die Verlegung und Absage von Eingriffen in manchen Situationen leider unvermeidbar“, stellt der Medius-Kliniken-Geschäftsführer fest.

Die Medius-Kliniken im Kreis zählen immerhin nicht zu den 61 Prozent der Krankenhäuser in Baden-Württemberg, die laut der BWKG-Umfrage dieses Jahr mit roten Zahlen abschließen werden – in vorherigen Umfragen waren es 40 bis 45 Prozent gewesen. ls