Die Lauter kriegt ein neues Bett: Zwischen Schlachthof und Post wird derzeit viel Erde bewegt, um das Wasser bis zum Ende des Sommers in neue Bahnen zu lenken: Der Lauf der Lauter wird an dieser zentralen Stelle in Kirchheim natürlicher. Es soll auch Möglichkeiten geben, am Fluss im Schatten zu sitzen.
Andreas Volz
Kirchheim. Über viele Jahre hinweg war es geplant, jetzt ist es so weit: Die Lauter erhält einen „Knick“, kurz bevor sie unter der Max-Eyth-Straße hindurchfließt. Sie wird an dieser Stelle verbreitert und kann dadurch ihre Fließgeschwindigkeit verringern. Außerdem erhält sie Uferböschungen aus Lehm und Gehölz, sodass sie wieder einem natürlichen Fluss gleicht und nicht mehr wie ein Kanal daherkommt. Für Bürgermeister Günter Riemer ist „Renaturierung“ dennoch der falsche Begriff. „Wir ökologisieren und schaffen bessere Voraussetzungen für das Gewässer“, sagt er. Eine richtige Renaturierung dagegen wäre noch sehr viel mehr: „Dafür müssten wir die Stadt links und rechts entfernen.“
Ganz so weit sollen die Arbeiten an diesem Abschnitt der Lauter aber doch nicht gehen. Schließlich heißt das Ziel – wie auch schon an anderen Stellen der Lauter und der Lindach –, die Gewässer in Kirchheim erlebbar zu machen und sie als „Teil des Stadtbilds“ hervorzuheben. Ursprünglich war wirklich geplant gewesen, dass ein Teil der Stadt zu weichen habe: die Bruckmühle, die derzeit saniert wird. Die Lauter hätte auf dem Gelände der Bruckmühle fließen sollen, bevor sie wieder nach Westen schwenkt und sich unter der Brücke zwischen Stadtkino und Postplatz hindurchzwängt. Dazu kam es aber nicht, denn eine Initiative von Kirchheimer Bürgern hat sich bekanntlich dafür eingesetzt, die Bruckmühle als eine Art Industriedenkmal zu erhalten.
Am Beginn der Industrialisierung stand die Wasserkraft: Viele Betriebe haben sich deshalb entlang der Flüsse angesiedelt. Hinzu kamen Kanäle, die mit Flusswasser gespeist wurden. Flüsse und Kanäle dienten zugleich der Abfallentsorgung Nicht anders war das bei der Lauter, am Schlachthof und an der Bruckmühle. Günter Riemer: „Die Lauter war über viele Jahre hinweg nichts als ein besserer Triebwerks- und Industriekanal.“
Bei den Arbeiten am neuen Lauterbett, die in den Pfingstferien begonnen haben, sei man auch auf den alten Mühlkanal gestoßen, der von der Lauter abzweigte, berichtet Bianka Wötzel, die beim Amt für Grünflächen und Tiefbau für Gewässer- und Uferpflege zuständig ist. Der Mühlkanal sei mit altem Bauschutt zugeschüttet gewesen.
Zunächst einmal werde nun auf dem Trockenen am künftigen Flussbett gearbeitet. Bis zum Herbst sollen diese Arbeiten erledigt sein, bei denen noch eine zusätzliche, kostensteigernde Schwierigkeit aufgetreten ist: Weil in der Bruckmühle lange Zeit eine mechanische Werkstätte untergebracht war, gibt es dort auch einiges an Altlasten zu entsorgen, unter anderem Schwermetall.
Im Herbst folgen schließlich die Ufer- und Pflanzarbeiten. Böschungen werden aufgeschüttet oder auch der Betonwand am Postareal vorgelagert. Auch das soll möglichst natürlich geschehen: Pflanzen halten die Böschungen zusammen und schützen sie vor der Kraft des Wassers. Nicht zuletzt muss auch das Grundwasser vor dem Wasser der Lauter geschützt werden, weswegen für die Bauarbeiten sogar eigene Grundwasser-Messstellen einzurichten waren.
Auf die Fische hat die Stadt Kirchheim ebenso geachtet: Bianka Wötzel betont, dass die Lauter vor Beginn der Arbeiten leergefischt wurde. Die Fische seien aber keinesfalls in Kochtöpfen gelandet, sondern „lebend umgesetzt“ worden. Vor der Rückkehr der Fische werden in der „neuen“ Lauter „Störsteine“ eingesetzt, die den Wasserlauf hemmen und somit ideale Rückzugsmöglichkeiten für Fische entstehen lassen.
Auch für die Menschen ist ein neuer Rückzugs- und Aufenthaltsort geplant: Zwischen Bruckmühle und Schlachthof fällt das Gelände terrassiert zur Lauter hin ab. Bänke unter Bäumen laden zum Verweilen ein. Wer möchte, kann sogar die Schuhe ausziehen und die Lauter durchwaten. Das empfiehlt sich aber erst einige Monate nach Fertigstellung der Arbeiten: Wenn es nach Plan läuft, ist alles im Dezember abgeschlossen.
Was dann noch zu berücksichtigen wäre, ist die Entwicklung des Klimas und die steigende Hochwassergefahr. Auch dafür trifft die Stadt Vorsorge – unter anderem mit einer mobilen Hochwasserwand. Und als Fortsetzung der Arbeiten kündigt Günter Riemer bereits an, dass das Wehr auf der anderen Seite der Brücke um 60 Zentimeter abzusenken sei. Auch das verringere die Gefahr bei Hochwasser nach starken Regenfällen. Die Brücke selbst indessen bleibe ein Risikofaktor bei steigenden Pegelständen. Dann könnte die Lauter durchaus zeigen, dass sich die Natur auch durch „Ökologisierung“ nicht komplett einzwängen lässt.