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„Die Natur gibt Gas“

Sicherheit Fachleute werten die gezielte Baumpflege entlang der Flüsse, Bäche und Seen in Kirchheim als vollen ökologischen Erfolg. Von Fabio Prelle

Martin Müller und Andreas Christoph nehmen die Ufer der Lindach in Augenschein.Foto: Markus Brändli
Martin Müller und Andreas Christoph nehmen die Ufer der Lindach in Augenschein.Foto: Markus Brändli

Kirchheim ist reich an Wasserläufen. Über 50 Kilometer Ufer fallen in den Zuständigkeitsbereich der Stadt. Sie müssen gepflegt und kontrolliert werden, um die Sicherheit gewährleisten zu können. In den letzen Jahren gab es immer wieder Diskussionen über das Fällen von Bäumen und Abschneiden von Ästen. Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer betont aber, dass es wichtig ist, Bäume und Sträucher an Uferbereichen zu pflegen. Sie sollen vor Krankheiten geschützt werden. Außerdem ist es notwendig, auf Straßen und Wegen entlang der Bäche und Seen für Verkehrssicherheit zu sorgen.

Die Veränderung des Klimas erfordert es laut Riemer immer mehr, ein Auge auf die Pflanzen an Ufern zu haben. Stürme, Überschwemmungen, Uferabbrüche und Baumunfälle sind keine Seltenheit. Eine wichtige Aufgabe ist es deshalb, die Ufer zu festigen. Auch in Kirchheim gibt es nämlich viele Häuser, die fast direkt am Wasser liegen. Ihre Bewohner müssen sich auf die Festigkeit des Ufers verlassen können.

Vielen Kirchheimern sind die Bäume ans Herz gewachsen, da diese seit Jahren zum Bild der Stadt gehören. „Die Menschen haben sich schon daran gewöhnt“, meint Martin Müller vom gleichnamigen Ingenieurbüro aus Welzheim. Dieses Büro kümmert sich seit vier Jahren um die Bäume und Gehölze auf circa 54 Kilometern Gewässerstrecke in Kirchheim. Die Fachleute beobachten die Vegetation, sorgen dafür, dass kranke Bäume rechtzeitig gefällt werden und schneiden die Pflanzen zurück. In den letzten 40 Jahren, so Martin Müller, wurde hier wenig Pflege von Bäumen betrieben. Deshalb seien die Menschen, wenn es ums Fällen gehe, sehr kritisch. „Die Natur ist intelligent“, betont Martin Müller, „aber ab und zu muss man eingreifen.“ Ziel ist, dass niemand durch einen herabstürzenden Ast oder einen umfallenden Baum verletzt wird.

Sein Kollege Andreas Christoph hebt hervor, dass die gezielte Pflege seit 2013 bereits Spuren hinterlässt. Seit die ersten Bäume gefällt worden sind, zeige sich eine deutliche Verbesserung der Vegetation. So wachsen beispielsweise viele neue Arten von Gräsern.

Ein Grund für das Fällen kann laut Andreas Christoph das Licht sein: „Hohe Bäume haben meist eine große geschlossene Baumkrone, durch die kaum Helligkeit kommt.“ Sobald die Bäume weg sind, fällt mehr Licht auf den Boden. Dort können dann deutlich mehr Pflanzen wachsen, und ihre Wurzeln halten den Uferbereich besser zusammen. Es kommt seltener zu Abbrüchen. „Das Leben braucht Licht, und im Dunkeln wächst nichts“, fasst Andreas Christoph zusammen.

Der Boden kann Saatgut bis zu 70 Jahre lang speichern, und sobald Licht darauf fällt, kommen die Pflanzen nur so rausgeschossen. „Die Natur gibt Gas“, nennt das Andreas Christoph. Das Problem aber ist, dass es meist nicht reicht, einen einzelnen Baum zu fällen. Meist vergrößert sich dann der Nachbarbaum und nimmt den Platz seines Vorgängers ein. Das ist für ihn kein Vorteil: Dadurch werden nämlich seine Feinwurzeln weniger und sein Halt verringert sich.

Aber die Verantwortlichen der Stadt listen noch weitere Gründe auf, wieso Bäume gefällt werden müssen. Viele Stämme sind alt, krank oder von Pilzen befallen. Vor vier Jahren zum Beispiel sei es in Kirchheim wegen Pilzen zu gefährlichen Situationen gekommen. Viele Bäume mussten deshalb schnell gefällt werden. Die in jüngerer Zeit neu gewachsenen Pflanzen, betont der Sachverständige, sind alle nicht extra gepflanzt worden, sondern von alleine gewachsen.

Natürlich wird jeder Eingriff in die Natur gründlich abgewogen. Martin Müller und Andreas Christoph beobachten die Bäume und die Vegetation an Gewässern über einen längeren Zeitraum, damit sie sagen können, welcher eine Gefahr darstellt oder krank ist. Nach ihrer Einschätzung ist die Baumpflege, so wie sie seit einigen Jahren in Kirchheim betrieben wird, ein voller ökologischer Erfolg.