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Die Natur ist gefragter denn je

Freizeit Wandern und Radfahren sind zurzeit der Renner. In den Tourismusbüros sind die Broschüren vergriffen – doch Hotelzimmer gibt es noch genügend. Von Lena Bautze

Auf einem Wanderweg am Reußenstein genießt eine junge Familie ihre freie Zeit. Foto:  Markus Brändli
Auf einem Wanderweg am Reußenstein genießt eine junge Familie ihre freie Zeit. Foto: Markus Brändli

Viele Menschen haben den Urlaub am Meer wegen des Coronavirus erst mal abgesagt. Doch die ganze Zeit daheimsitzen, das muss ja auch nicht sein. Viele nutzen daher die Chance, sich einmal ausgiebig in der Region umzuschauen - denn auch vor der eigenen Haustür gibt es zahlreiche Orte, die sich lohnen, entdeckt zu werden.

Dass der Tourismus boomt, stellt auch Uta-Mareen Römer von der „Kirchheim-Info“ fest: „Es gibt eine deutlich höhere Nachfrage nach Touren in der Region. Vor allem die ‚Hochgehbergerouten‘ sind sehr beliebt.“ Aber auch die Prospekte zu Wandertouren sind sehr gefragt im Büro von Uta-Mareen Römer. Auch bei Nadja Schließer vom „Schwäbische Alb Tourismus“ waren die Wegweiser sofort vergriffen. „Ich würde auf jeden Fall sagen, dass es im Vergleich zum vergangenen Jahr eine höherer Nachfrage nach Wandertouren gibt“, sagt sie. Anderer Bereiche seien jedoch nicht so gefragt. „Durch die Stadt möchten gerade eher weniger geführt werden“, ergänzt Uta-Mareen Römer, „die Menschen scheinen sich noch nicht zu trauen.“

Dinge, die man zu zweit oder aber allein in der Natur machen kann, sind hingegen gefragter denn je. Das merkt auch Philip Renken vom Kirchheimer Sportgeschäft „Sport Räpple“: „Sämtliche Rad- und Laufprodukte sind der Renner“, sagt er. Der Grund? „Die Menschen wollen wahrscheinlich raus in die Natur.“ Ähnlich sieht es bei Detlef Spangemacher von der Radstation Kirchheim am Bahnhof aus: „Die Bude ist voll“, freut er sich. „Viele lassen jetzt ihre Fahrräder reparieren. Das hat mit Corona angefangen.“ Öfters kommen auch Personen vorbei, um ein Rad auszuleihen. „Vor allem E-Bikes sind im Trend und werden immer mehr getestet.“ Vor Kurzem hatte er auch einen Touristen aus Amsterdam bei sich, der seinen Vater besucht hatte. Klar, dass der Holländer auch im Schwabenland nicht auf einen Drahtesel verzichten möchte - gibt es doch hier in der Region genügend zu sehen. Den klaren Trend spürt auch Dieter Klein vom Schwäbischen Albverein in Kirchheim. „Die Mitglieder haben während der Coronakrise in den vergangenen Wochen oft gefragt, wann es wieder losgeht mit den Führungen“, sagt der Vorsitzende. Doch es gab noch ein weiteres Problem: „Unsere jeweiligen Wanderführer sind alle zwischen 70 und 85 Jahre alt und gehören deshalb zur Risikogruppe. Sie müssen letztlich selbst entscheiden, ob sie eine Gruppe leiten wollen oder nicht.“ Doch so langsam geht es wieder los mit den Wanderungen. Zu den Führungen sind dann allerdings erst nur die Mitglieder willkommen. „Normalerweise dürfen immer alle mit, die Lust haben, doch nach so einer langen Zeit müssen wir zuerst unsere Mitglieder bedienen.“

Wer nicht im Albverein ist, muss daher erst mal alleine die Natur erkunden. Wer sich umschaut, bemerkt dabei auch durchaus einen Unterschied: „Ich war an einem Freitag am Filsursprung in Wiesensteig. Ich habe dort noch nie so viele Menschen gesehen“, sagt Dieter Klein überrascht.

Wem Wandern und Radfahren nicht so liegen, könnte derweil in Owen noch etwas ganz anderes ausprobieren. Das Unternehmen „mehrlebnis“ bietet dort Segway-Touren an. Auf dem elektrischen Zweirad können die Teilnehmer die Region um Owen erkunden. Geschäftsführer Stefan Kadelbach merkt, dass die Menschen Lust auf Neues haben. „Wir haben mehr Anfragen, aber es ist trotzdem nichts im Vergleich zum Vorjahr“, sagt er. Dabei lassen sich die Segways offiziell ohne Führerschein fahren, sofern der Lenker über 14 Jahre alt ist. Und für alle, die Kurven lieben, gibt es neuerdings das „eRod“. „Das ist ein Elektrofahrzeug, das vor allem auf der Schwäbischen Alb Spaß macht“, sagt Kadelbach und fügt hinzu: „Für den Flitzer ohne Türen braucht man jedoch einen Führerschein.“

Bei all dem Wander-Boom liegt es doch eigentlich nahe, dass sich dies auch auf dem Markt der regionalen Ferienwohnungen auswirkt - doch ganz so ist es nicht. „Wir haben etwas mehr Buchungen als sonst“, sagt Sylvia Banzhaf. Sie bietet in Ochsenwang zehn Zimmer an und das direkt an einem Hauptwanderweg. Der Nachteil sei aber, dass lange Wanderungen mit Übernachtungen auf den Stecken schwierig sind. „Eigentlich hatte eine Gruppe bei mir Zimmer gebucht, da sie aber auf ihrer Tour keine anderen Unterkünfte bekamen, haben sie ihre Wanderung komplett abgebrochen.“

„Es gab mehr Buchungen, da man wieder seine Verwandten besuchen konnte“

Das Ateck-Hotel stellt derzeit keinen erhöhten Tagestourismus fest. „Zu uns kommen hauptsächlich Gäste, die auf Geschäftsreise sind. Doch die wurden zuletzt ja fast alle abgesagt“, erklärt Geschäftsführerin Melanie Strobel. Bei ihr fallen deshalb rund 80 Prozent des üblichen Umsatzes weg. Ebenso fehlen internationale Gäste. Froh ist die Geschäftsführerin jedoch, dass ihr Hotel in Kirchheim nicht mehr mit Corona in Verbindung gebracht wird. „Das ist kein Thema mehr, ganz im Gegenteil. Wir bekommen jetzt sogar mehr Lob als am Anfang.“ Hintergrund: Das Ateck-Hotel hatte Ende Februar Menschen aus Wuhan bei sich in Quarantäne aufgenommen. Doch von diesen Personen hatte niemand Covid-19.

Im „Fuchsen“ sieht es aktuell nicht arg anders aus. „Wir haben fast nur Hochzeitsgäste, aber deutlich weniger Buchungen“, sagt Friederike Kübler, Geschäftsführerin des Kirchheimer Hotels. Aufatmen konnte sie, nachdem zuletzt das Kontaktverbot wieder aufgehoben wurde. „Da kamen wieder etwas mehr, weil die Menschen ihre Verwandten wieder besuchen durften.“ Das habe inzwischen aber schon wieder nachgelassen. Ansonsten profitiert der Fuchsen - ähnlich wie das Ateck-Hotel - momentan am meisten von Geschäftskunden.

Der Württembergische Hof in Kirchheim ist normalerweise vor allem beim Oldtimer-Fliegertreffen auf der Hahnweide ausgebucht. „Eigentlich hätten wir in dieser Jahreszeit auch schon Touristen, aber zurzeit ist alles anders“, betont Martina Banzhaf. Die Leiterin des Gasthofes merkt nur bedingt, dass mehr Menschen in der Region Urlaub machen. „In den Ferien hatten wir Biker bei uns, die eigentlich in den Schwarzwald reisen wollten, doch die Alb war wohl letztlich verlockender.“leba