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Die Poesie des Schwäbischen

Die WLB Esslingen gastierte mit „Hoimetaberau“ in der Kirchheimer Stadthalle

Kirchheim. Im Fernsehen taucht der schwäbische Dialekt meist als Zeichen von Begrenztheit auf. Franz Xaver Otts Stück „Hoimetaberau“ setzt aber diesem Klischee die „Poesie des Schwäbischen“ entgegen.

Ein Zwei-Personen-Stück wurde angekündigt. Gekommen sind im Vorfeld des Stücks allerdings eine ganze Schar Akteure, die vor allem die Beleuchtungen installiert und die Bühne mit allerlei Gerätschaften vollgeladen haben, berichtete der Hausmeister. Denn bei der Aufführung spielen tatsächlich nur zwei Menschen.

Dies alles ist im Sinne des Autors Franz Xaver Ott, der als Kulisse „Fragmente einer Werkstatt“ vorschreibt. „Zu sehen sind ein Werktisch, gleichzeitig der Vespertisch. Allerhand Werkzeug und Gerümpel, Versatzstücke und Teile von landwirtschaftlichen Geräten und allerhand Maschinenteile. Alles sieht sehr chaotisch und wahllos aus.“

Die beiden Protagonisten Hans und Albert wollen aus diesem Material eine Maschine herstellen, ein Alleskönner: sowohl Skatbruder wie Fluggerät, sowohl Fremdkörper wie Heimat. Doch die Arbeit an der Maschine, die sie „d‘r Sell“ nennen, stockt dauernd. Hans und Albert kommen vor lauter Reden kaum zum Arbeiten. Und sie reden schwäbisch.

Es stellt sich heraus, dass der Bau der Maschine nur der Anlass ist, um das Schwäbische in all seinen Facetten vorzuführen. „Mich fasziniert die Poesie und die Eigenheit des Schwäbischen“, bekennt der in Hayingen geborene und aufgewachsene Franz Xaver Ott in einer biografischen Notiz. Auf den Geschmack des Volkstheaters kam er durch den glücklichen Umstand, dass Martin Schleker in Hayingen eine solches erfolgreich betrieb. Seine großen Erfolge vor allem als Autor feierte Ott später am Melchinger „Theater Lindenhof“.

„Schwabe ist, wer schwäbisch spricht“, definierte schon Thaddäus Troll. Im Fernsehen taucht der schwäbische Dialekt meist auf, wenn es gilt, die Begrenztheit einer Person zu dokumentieren. Ansonsten beherrscht die „Mäulesmühle“ die schwäbische Szene. Auch hier ist die Doofheit Hauptperson und die Darbietung auf stereotype Mimik und Gestik beschränkt.

Diesem flachen Dialektverständnis setzt Ott die „Poesie und Eigenart des Schwäbischen“ gegenüber. In 17  Einzelszenen wird die ganze Bandbreite der schwäbischen Sprache und Mentalität ausgelotet. Das, was man „schwäbische Dialektik“ nennt, die Vereinigung von Gegensätzen in einer Person, kommt zum Tragen: Die Schwaben sind engstirnig und manchmal genial, intolerant und großherzig, realistisch und fantasiebegabt – wie der Ikarus von Buttenhausen oder der Schneider von Ulm. Das drückt sich in der Sprache aus, sie besteht aus Schweigen und Ausbrüchen, transportiert depressive Grübeleien und kernige Beleidigungen.

Für die Theaterschaffenden ist es schwierig, Sprachartistik in Bühnengeschehen umzusetzen. Grundvo­raussetzung ist, dass die Schauspieler sich nicht anstrengen müssen, schwäbisch zu sprechen, sondern dass es ihre Heimatsprache ist. Das ist bei Marcus Michalski und Dietmar Kwoka der Fall. Kwoka ersetzt den für längere Zeit außer Gefecht gesetzten Reinhold Ohngemach, ohne dass man ein Gefühl des Defizits verspürt. Natürlich bleibt Michalski die beherrschende Figur.

Und dann hat sich Regisseurin Christine Gnann vom Theater Tri-Bühne eine Menge einfallen lassen, um Aktion in die Dialoge zu bringen. Sie hat die geeigneten Schauspieler, um die Ideen umzusetzen. Dabei erweist sich die absurde Maschine als durchaus nützlich: Da wird herumgeschraubt und gehämmert, aus Schläuchen werden Mikrofone und Ferngläser. Treue Begleiter der Reden sind Bierflaschen mit Bügelverschlüssen.

Aufgelockert werden die Szenen durch Gesangseinlagen, akustische Einspielungen und Kostümwechsel. Auch die Komik kommt nicht zu kurz: Köstlich und appetitanregend gleich am Anfang das Skatspiel zu zweit. So hatte das Publikum auch an diesem „kritischen“ Volksstück sein helles Vergnügen und brachte dies zum Ausdruck.