Nicht bei „Stadt, Land, Fluss“, aber stattdessen bei „Stadt-Grün naturnah“ hat die Stadt Kirchheim gewonnen: Für den Zeitraum 2020 bis 2023 hat sie das entsprechende Label in Silber erhalten. Ausgezeichnet wird dadurch „vorbildliches Engagement in Sachen naturnaher Grünflächengestaltung und -pflege“. Vor allem aber handelt es sich nicht um eine Ehrung, die früher oder später jeder erhält. Maximal 15 Kommunen kommen jedes Jahr bundesweit zum Zuge.
Wie beim olympischen Sport gilt auch bei diesem Label die Frage: „Silber gewonnen - Gold verpasst?“ Beides ist richtig: Zur Auszeichnung in Gold fehlte nicht mehr allzu viel, wie die Verantwortlichen bei der Stadt Kirchheim betonen. Trotzdem freuen sie sich, die Silber-Plakette erhalten zu haben. Silber rangiert in der Bewertung nicht nur zwischen Gold und Bronze, sondern auch zwischen „Herausragend“ und „Ansätze vorhanden“.
In vielen Unterkategorien reichte es für die Stadt Kirchheim sogar zum „Gold-Standard“ - gerade auch in der Kategorie „Baumpflege“. Der einzige Punkt, an dem es bei der Einzelwertung „nur“ zu Bronze reichte, war die Öffentlichkeitsarbeit. „Das lag daran, dass bei allen drei Treffen außer der Stadtverwaltung vor allem Unternehmen und Verbände beteiligt waren. Nur ganz wenige Teilnehmer kamen direkt aus der Bürgerschaft“, sagt Christoph Kerner, der Leiter des Sachgebiets Grünflächen.
„Das Beteiligungsverfahren hätte besser laufen können“, räumt auch Bürgermeister Günter Riemer ein. Nun hofft er aber immerhin auf die Öffentlichkeitswirksamkeit der Silber-Plakette: „Vielleicht ermutigt dieser Erfolg ja noch weitere Personen, sich für naturnahe Räume in der Stadt zu engagieren.“ Immerhin will sich Kirchheim nach Ablauf der drei Jahre erneut bewerben - und dann Gold gewinnen. Die Bewertung zeigt ja auch auf, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
Was aber auf jeden Fall schon funktioniert, ist das notwendige Umdenken bei der Grünflächenpflege, um zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen zu können. Christoph Kerner stellt die entscheidende Frage: „Muss man wirklich jede Fläche zehn bis zwölf Mal im Jahr mähen?“ Das muss man natürlich nicht, zumindest nicht im Sinne der Ökologie.
Dieses Umdenken auch in die Bevölkerung zu tragen, ist eine weitere Aufgabe, die mit dem Label „Stadt-Grün naturnah“ verbunden ist. „Da haben wir auch einen Bildungsauftrag“, stellt Bürgermeister Riemer fest und erläutert: „Es kommen immer wieder Menschen auf uns zu, die fragen, ob wir nicht in der Lage sind, unser Unkraut zu mähen.“ Dabei müsse man das sehr differenziert betrachten: „Was für die einen Unkraut ist, sind für die anderen wertvolle Wildkräuter, die gewisse Insekten anlocken.“ Christoph Kerner ergänzt: „Es mag vielleicht ungepflegt wirken oder sogar schäbig aussehen - aber auch trockene Pflanzen bieten Insekten noch Nahrung.“
Wichtig für die Akzeptanz von Blühflächen ist vor allem die Tatsache, dass es auch wirklich blüht, dass also eine Farbenpracht herrscht, die ihresgleichen sucht. Darauf macht Kirchheims Umwelt- und Naturschutzbeauftragter Wolf Rühle aufmerksam: „2018 zum Beispiel hatten wir mit unseren Wiesen auf städtischem Grün keinen solchen Erfolg, weil der Sommer zu trocken war.“ Dieses Jahr sah es schon viel besser aus. Es gab tatsächlich „blühende Landschaften“, wenn auch im bescheidenen Kleinformat. Die Erfolgskontrolle war ebenfalls kein Problem. Sie kam quasi von selbst, wie Christoph Kerner augenzwinkernd berichtet: „Es gab keinerlei Beschwerden.“
Die großen Parkanlagen fehlen in Kirchheim - im Vergleich zu anderen Städten. Christoph Kerner zeigt in diesem Fall das Dilemma für die ökologische Grünflächenpflege auf: „Es gibt die Empfehlung, ein Drittel nicht zu mähen. Bei einem Park mit 21 Hektar Fläche gibt das ein großes Stück. Da sieht jeder das Konzept dahinter. Bei unseren kleinen Streifen von Straßengrün sieht das ganz anders aus. Wenn wir da ein Drittel stehen lassen, denkt jeder, wir haben das beim Mähen vergessen.“
Bei der Bewerbung um das naturnahe Stadt-Grün habe sich erst ergeben, was es in Kirchheim schon seit fast 20 Jahren gibt: die Pflegekarte, die genau aufzeigt, um welche Art von Fläche es sich jeweils handelt. „Die Firmen, die in unserem Auftrag für die Pflege zuständig sind, kriegen das an die Hand“, sagt Christoph Kerner. „Dann wissen sie ganz genau, wie oft sie da mähen müssen.“
Pflege im regelmäßigen Turnus
Ganz wichtig ist es aber auch, dass alle Pflegearbeiten im regelmäßigen Turnus ausgeführt werden. Das war das Problem bei den Gewässerrandstreifen: „Da ist viele Jahre lang nichts gemacht worden, und als wir das dann richtig angegangen sind, ist das auf großen Unmut gestoßen“, stellt Christoph Kerner im Nachhinein fest. Er wirbt deshalb um Verständnis für die Arbeit des Sachgebiets Grünflächen: „Wir müssen das gesamte Ökosystem im Blick haben und können nicht immer jeden einzelnen Baum gesondert betrachten.“ Den Dialog mit den ehrenamtlichen Naturschützern hält er für unerlässlich: „Wenn jetzt auch Strafanzeigen gegen Mitarbeiter der Stadtverwaltung gestellt worden sind, so wollen wir deswegen die Zusammenarbeit mit den Ortsverbänden nicht aussetzen. Die Anzeigen kamen ja nicht von einem einzelnen Ortsverein, sondern vom Nabu-Kreisverband.“
An weiteren Vorhaben, die Stadt und Verbände gemeinsam betreffen, nennt Christoph Kerner die Umgestaltung des Waldlehrpfads im Talwald: „Da wollen wir für alle Bürger zwischen Null und 99 etwas Dauerhaftes schaffen, um Natur erlebbar zu machen. Leider hat sich das wegen Corona verzögert.“ Die Begrünungssatzung wiederum ist ein Versuch, aus Steingärten blühende Vorgärten zu machen. Kirchheim will also beim städtischen Grün am Ball bleiben, um den bisherigen Erfolg tatsächlich noch vergolden zu können.