Weilheim · Lenningen · Umland
Die Stadtgemeinschaft voranbringen

Workshop Barrierefreies und inklusives Wohnen wird auch in Kirchheim immer wichtiger. Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader will Viertel mit einer städtischen Wohnbaugesellschaft erschließen. Von Thomas Zapp

Alleine und unabhängig zu wohnen ist nicht jedem möglich. In Kirchheim gibt es rund 3600 Menschen, die einen besonderen Wohnbedarf haben, sei es altersbedingt, aufgrund einer Behinderung, weil sie als „hilflos“ eingestuft werden oder eine psychische Erkrankung haben. Für sie braucht es bestimmte Wohnformen, die je nach Bedarf ein bestimmtes Maß an Barrierefreiheit garantieren oder im sozialen Umfeld Sicherheit bieten. „In Kirchheim sind schätzungsweise zwei Prozent der Wohnungen für diese Bedarfe geeignet, es fehlen aber rund 200 Wohnungen“, erklärt Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader auf dem zweiten Thementag der Stadt zur Inklusionsplanung, der dieses Mal zum Thema „Barrierefreies und bezahlbares Wohnen“ stattfand und rund 50 Teilnehmer mobilisiert hat.

Was „barrierefrei“ konkret bedeutet, macht Britta Schippel von der Wohnberatungsstelle des Deutschen Roten Kreuz in Stuttgart deutlich. „Unser Ziel ist es, dass Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können“, sagt sie. Die „Werkstatt Wohnen“ des KVJS, des Kommunalverbands für Jugend und Soziales, ist eine Art Musterhaus für Menschen, deren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Auch wenn man gerade in Bestandsimmobilien nicht alle DIN-Normen schaffe, so Britta Schippel, gebe es immer bedarfsgerechte Lösungen. Aber all das kostet, und dafür braucht es Handwerker, die den Mehraufwand nicht scheuen. Der zweite Punkt ist die Finanzierung solcher Maßnahmen.

Neben baulichen Voraussetzungen spielt für ältere Personen oder Menschen mit Behinderungen der soziale Aspekt eine Rolle. Susanne Horbach von der Fachstelle Fawo im KVJS berät Kommunen, Träger und Verbände zu den Möglichkeiten ambulant unterstützter Wohnformen, wie zum Beispiel eine WG für Menschen mit Behinderungen.

Denn das wird auch in der anschließenden Podiumsdiskussion deutlich: Die Kombination aus barrierefrei und bezahlbar bringt in Zeiten eines angespannten Wohnmarktes ein Menge Schwierigkeiten.

Aber das Thema Inklusion ist aktueller denn je. So kündigt Bernd Weiler, Vorstandssprecher der Kreisbau Genossenschaft an, dass man bis 2030 rund 40 Prozent der Neubau-Wohnungen barrierearm im Bestand haben will. Eine Reglementierung mit einer Quote an barrierefreien Wohnungen sieht er aber kritisch. „Man darf Unternehmer nicht nur verpflichten, sonst ziehen sie sich zurück“, meint er. Auch deswegen betont Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader den Willen der Verwaltung, eine städtische Wohnbaugesellschaft zu gründen. „Da muss die Stadt oder Kommune aktiv werden, wenn der Markt das nicht reguliert.“ Generell geht für ihn die Zielsetzung bei der Entwicklung neuer Wohngebiete aber in die richtige Richtung. „Wettbewerbe, bei denen das schönste Gebäude gewinnt, sind nicht mehr zeitgemäß“, sagt er. Vielmehr gehe es um Konzepte, wo neben der Architektur auch die künftige Nutzung bewertet werde. „Da kann man sehr gut das Thema Inklusion verankern. Das wäre zum Beispiel denkbar für den Güterbahnhof in Ötlingen“, glaubt Bader.

Benjamin Langhammer von der Lebenshilfe nennt als gelungenes Beispiel das Steingau-Quartier, das verschiedene Wohnformen wie etwa eine Demenz-WG mit kleinem Gewerbe vereint. Susanne Horbach spricht von Quartieren, in denen Menschen den „Mehrwert der Diversität schätzen lernen“. Der Erfolg des Steingau-Quartiers liegt laut Stadtplaner Gernot Pohl in der Vielfalt der Konzepte. „Wir haben Möglichkeitsräume eröffnet und Konzepte bewertet, die den besten Beitrag zur Stadtgesellschaft leisten, von Ökologie bis Inklusion.“ Projektplaner übernehmen somit ein Stück Verantwortung für eine gute Stadt, in der die Bandbreite der Bevölkerung abgebildet ist.