Weilheim · Lenningen · Umland
Die Unterbringung von Flüchtlingen im Kreis Esslingen stößt an Grenzen

Wohnraum Seit dem Überfall auf die Ukraine mussten im Kreis Esslingen 11 400 Menschen aufgenommen werden.

Kreis. Geflüchtete unterzubringen bereitet nicht nur den Kommunen des Landkreises, sondern der Kreisverwaltung selbst zunehmend große Probleme. In den Sitzungen des Jugendhilfeausschusses und des Sozialausschusses des Kreistags nahm Landrat Heinz Eininger dazu Stellung. „Seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine mussten mit 11 400 Menschen mehr aufgenommen werden, als in den Krisenjahren 2015 und 2016, als rund 7500 Flüchtlinge kamen“, rechnete er vor. Während die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge zurückgehe, steige die Zahl von Geflüchteten aus anderen Ländern.

Der Landkreis ist zuständig für die vorläufige Unterbringung. Für ukrainische Flüchtlinge hat der Kreis das Hauber-Areal in Nürtingen angemietet. Dort sind derzeit noch 170 Menschen untergebracht. Monatlich kommen 80 bis 100 zusätzlich in den Landkreis, die direkt den Kommunen zugewiesen werden. Dagegen sind es in den letzten drei Monaten jeweils rund 300 Personen aus anderen Ländern gewesen, für die der Kreis Unterkünfte schaffen muss. „Unsere Kapazitäten sind auf Kante genäht, die Lage ist kritisch.“

Ziel sei jedoch weiterhin, eine Unterbringung in Sporthallen zu vermeiden. Deshalb sei man auf eine Aufstockung im Roser-Areal in Esslingen und auf einen großen Containerstandort in Nürtingen angewiesen. Neben größeren geplanten Unterkünften wie in Köngen und Ostfildern gebe es Pläne für einen großen Zeltstandort, wobei der Ort selbst nicht genannt wurde.

Dem Ruf nach einer dezentralen Unterbringung begegnete der Landrat mit der Feststellung: „Dazu haben wir oft gar keine Möglichkeit, wir können nicht wählerisch sein und müssen nehmen, was wir bekommen.“ Außerdem gebe es bei vielen Kommunen trotz wiederholter Appelle nach dem Motto „nicht in meinem Hinterhof“ eine starke Zurückhaltung, wenn es darum gehe, dem Kreis Flächen oder Gebäude anzubieten. Dadurch gebe es ein erhebliches interkommunales Ungleichgewicht.

Einen Weg sieht Eininger darin, gemeinsam Unterkünfte zu nutzen, die entweder vom Kreis oder der Kommune gebaut beziehungsweise vermietet werden und zunächst für die vorläufige Unterbringung und später für die Anschlussunterbringung durch die Kommune zur Verfügung stehen. Er nannte Unterensingen und Oberboihingen als Beispiele. Ein weiterer Anreiz sei, dass die vorläufige Unterbringung den Kommunen angerechnet wird, die dann bis zu 30 Prozent weniger Geflüchtete für die Anschlussunterbringung zugewiesen bekommen. „Dieses Instrumentarium kann jedoch nicht beliebig ausgeweitet werden, weil sich dann die Quote für die verbleibenden Städte und Gemeinden zu stark erhöht“, gab der Landrat zu bedenken. Ohnehin sei der Druck durch den Wohnraummangel bei den Kommunen schon hoch.

Hoher Betreuungsbedarf

„Große Sorge bereitet uns derzeit die Betreuung von unbegleiteten jungen Flüchtlingen“, so Eininger weiter. Im Landkreis sind derzeit 229 von ihnen untergebracht, davon 16 aus der Ukraine. Gut zwei Drittel sind minderjährig. Viele gelangen aufgrund des Flughafens in den Landkreis. Im Kreis gibt es 76 stationäre Wohngruppen, in denen Kinder und Jugendliche betreut werden, insgesamt stehen 576 Plätze mit einer Betriebserlaubnis des Kommunalverbands für Jugend und Soziales mit seinem Landesjugendamt zur Verfügung. Der Anteil der unbegleiteten ausländischen Kinder und Jugendlichen ist bereits auf über 30 Prozent gestiegen. Bei allen freien Jugendhilfeträgern, von denen die Jugendlichen im Auftrag des Kreises betreut werden, herrsche Personalmangel. Der Kreis hat deshalb schon vor einem Jahr eine Notunterkunft in eigener Zuständigkeit in Esslingen für 50 Personen geschaffen. Betreut werden sie durch Mitarbeitende des Landratsamts, unterstützt durch freie Träger.

Es herrsche ein hoher Bedarf an Alphabetisierungskursen und weiteren schulischen Angeboten, die jedoch nicht ausreichend zur Verfügung stünden. Freie Träger böten tagesstrukturierende Angebote, um diese Lücken zu schließen, Es brauche jedoch verlässliche Angebote. Der Landrat sieht das Land in der Pflicht, dafür Kapazitäten zu schaffen.

Neben den von den Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler beschlossenen Maßnahmen sehe man in einer Ausweitung von Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz von maximal 18 auf 36 Monate statt Bürgergeld und einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte eine Möglichkeit, die Zuwanderungszahlen zu begrenzen. Dafür spricht sich auch der Landkreistag aus. Uwe Gottwald