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Die Wahlrechtsreform ist bei Abgeordneten umstritten

Bundestag Politiker in den hiesigen Wahlkreisen müssten bei der geplanten Verkleinerung um ihr Mandat bangen.

Kreis. Derzeit sitzen 736 Abgeordnete im Bundestag – vorgesehen sind eigentlich nur 598. Das ist vor allem eines: teuer für den Steuerzahler. Jedes Parlamentsmitglied erhält eine monatliche Diät von 10 323 Euro zuzüglich einer Aufwandspauschale von 4725 Euro.

Ein Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP soll den Bundestag deshalb auf seine vorgesehene Größe deckeln. Allein die Zweitstimme – im Gesetzentwurf Hauptstimme genannt – soll zukünftig über die Sitzzahl entscheiden. Überhang- und Ausgleichsmandate würden wegfallen. Vor allem die Union kritisiert den Entwurf.

Was halten die Bundestagsabgeordneten aus dem Landkreis Esslingen von diesem Vorstoß? Sebas­tian Schäfer (Grüne) ist seit September 2021 Mitglied des Bundestags für den Wahlkreis Esslingen. Hätte man den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf bereits vor der Wahl 2021 verabschiedet, hätte er keinen Sitz erhalten. Trotzdem sagt Schäfer: „Die Debatte muss unabhängig von möglichen Auswirkungen auf einzelne Abgeordnete geführt werden.“ Er sehe die dringende Notwendigkeit der Verkleinerung, nachdem bisherige Reformversuche an der CSU gescheitert seien.

Schäfers Parteikollege aus dem Wahlkreis Nürtingen, Matthias Gastel, mahnt ebenfalls, dass das Problem seit vielen Jahren bekannt sei, aber bisher keine Lösung gefunden wurde. Gastel proklamiert: „Wir reduzieren den Bundestag wirksam auf seine gesetzliche Sollgröße von 598 Abgeordneten.“ Der Wille der Wähler für die Zusammensetzung des Parlaments würde konsequent eingehalten, „ohne dafür das Parlament aufzublähen“. Die Nürtinger Parlamentarierin Renata Alt, die als FDP-Abgeordnete ebenfalls die Ampelkoalition vertritt, sieht den Sachverhalt ähnlich und richtet sich direkt an die Opposition: „Die Union ist gut beraten, sich mit konstruktiven Vorschlägen an der Reform zu beteiligen, statt zu klagen.“

Der SPD-Politiker Nils ­Schmid gehört der größten Regierungsfraktion an. Der Gesetzentwurf stelle sicher, dass die Wahlkreise nicht größer würden. „Einige dünn besiedelte Flächenländer haben schon jetzt enorm große Wahlkreise. Das führt dazu, dass die Abgeordneten dort – im wahrsten Sinne des Wortes – weiter weg wären von den Bürgerinnen und Bürgern“, sagt der Nürtinger Abgeordnete.

CDU-Politiker haben Bedenken

Gegenwind für die Reformpläne kommt von den beiden Christdemokraten aus den Wahlkreisen Nürtingen und Esslingen. „Ich halte den Ansatz der Ampel für falsch. Mit der Reform kann es passieren, dass zukünftig mehrere Wahlkreise durch keinen einzigen Abgeordneten mehr in Berlin vertreten sein werden“, sagt Michael Hennrich. Auch der Nürtinger Politiker hätte seinen Sitz bei einer früheren Umsetzung der Reform nicht erhalten. Es könne nicht im Sinne der Demokratie sein, dass man in sicheren Wahlkreisen „quasi im Schlafwagen zum Mandat kommt“, während in umkämpften Wahlkreisen alle Kandidaten leer ausgehen könnten.

Hennrichs Parteikollege Markus Grübel vermutet, dass der Entwurf gar verfassungswidrig sein könnte. „Ziel ist die Verkleinerung des Bundestages. Das ist gut und richtig. Die Ampelreform ist aber zu teuer erkauft“, sagt Grübel. Er halte es für sinnvoller, die Wahlkreise auf 270 zu reduzieren und die Zahl der Überhangmandate auf eine vom Verfassungsgericht zulässige Zahl zu begrenzen. Eine weitere Möglichkeit wäre für Grübel, Mandate künftig auf Bundes- und nicht auf Landesebene zu verrechnen. Frederic Feicht