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Die Weilheimer Fahrradwerkstatt ist umgezogen: Wo jetzt geschraubt wird

Ehrenamt Nach langer Suche hat die Weilheimer Einrichtung eine neue Bleibe gefunden. Gebrauchte Fahrräder werden ab sofort dort repariert und für wenig Geld verkauft. Allerdings fehlt auch noch etwas Wichtiges. Von Bianca Lütz-Holoch 

Rot soll es sein. Das ist das einzige, was sich die junge Frau aus der Ukraine für ihr „neues“ gebrauchtes Fahrrad wünscht. Sie gehört zu den ersten Besucherinnen der Weilheimer Fahrradwerkstatt am neuen Standort in der Unteren Rainstraße 34 zwischen Lidl und Bissinger Straße. Dort hat die Einrichtung, die von Ehrenamtlichen unter dem Dach des AK Asyl betrieben wird, jetzt eine neue Heimat gefunden.

 

Die Stadt Weilheim hat alle Hebel in Bewegung gesetzt.
Helmut Burkhardt
Der Ordnungsamtsleiter über die schwierige Suche nach neuen Räumen für die Fahrradwerkstatt
 

„Wir sind sehr zufrieden mit den neuen Räumen“, freut sich Ralf Stüber. Er ist seit der Gründung der Fahrradwerkstatt vor sieben Jahren mit von der Partie und hat den Umzug zusammen mit seiner Familie und den Ehrenamtlichen der Fahrradwerkstatt über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel in Eigenregie gestemmt.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Scheune wirkt hell, warm und aufgeräumt und bietet wesentlich mehr Platz für Räder, Material und Reparaturen. Teppiche auf dem Boden und eine Lichterkette verströmen Gemütlichkeit. An den Backsteinwänden haben die Ehrenamtlichen Regale aufgebaut. Darin reihen sich bunte Kisten mit Ersatzteilen und Werkzeugen ordentlich aneinander, daneben hängen Ersatzreifen und -mäntel. Mitten im Raum steht ein großer Montageständer, in den die Fahrräder während der Reparatur einhängt werden. Nebenan gibt es einen weiteren, großzügigen Raum, in dem ausrangierte, gespendete Drahtesel aller Art in Reih und Glied darauf warten, von ihren neuen Besitzern entdeckt und vom Werkstatt-Team repariert zu werden. 

Genügend Platz für Probefahrten

Die abgabefertigen und reservierten Exemplare wandern dann nach vorne in den Eingangsbereich. Dort findet auch die junge Ukrainerin das rote Damenrad wieder, das sie sich in der Woche zuvor ausgesucht hat. Am Lenker hängt ein Schild mit ihrem Namen. „Möchten Sie Probe fahren?“, fragt Ralf Stüber. Die junge Frau nickt und schiebt das Rad nach draußen in die Kälte. Die Scheune liegt ganz am Ende einer langen Einfahrt, die in einen großen Hof mit Baum mündet. Autos fahren hier nur, wenn jemand Spendenräder vorbeibringt – Platz genug also, um ein paar Runden zu drehen und das Rad zu testen. Die junge Frau ist zufrieden. Und sie ist nicht die einzige. Auch eine Familie mit zwei Kindern wird heute fündig: Sie geht mit einem Kinder-Fahrrad, einem Dreirad und strahlendem Nachwuchs nach Hause.

Vor dem Umzug war die Fahrradwerkstatt sieben Jahre lang in einer kleinen Scheune in einem alten Haus in der Lindachstraße untergebracht. Dass sie dort nicht bleiben kann, war schon länger klar gewesen. Wie andere Gebäude auch, wird das alte Haus abgerissen, um Platz für den Bau der Schulturnhalle zu schaffen. Neue, geeignete Räume zu finden, war allerdings alles andere als leicht gewesen. Erst Ende vergangenen Jahres, sozusagen in letzter Minute, hatte die Weilheimer Stadtverwaltung endlich Erfolg. „Auf der Suche nach einem neuen Domizil für die Fahrradwerkstatt hat die Stadt Weilheim alle Fühler ausgestreckt und sämtliche zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung gesetzt“, schildert Ordnungsamtsleiter Helmut Burkhardt die schwierige Suche. „Wir freuen uns, dass wir die nun gefundenen Räume im Einvernehmen mit dem Vermieter an die Fahrradwerkstatt des AK Asyl weitergeben konnten.“

Waschbecken und Toilette fehlen

Im Vergleich zu dem alten Stall in der Lindachstraße ist die große Scheune in der Unteren Rainstraße ein echtes „Luxusobjekt“ – allerdings immer noch mit Luft nach oben. „Wir haben kein Waschbecken und keine Toilette“, bedauert Ralf Stüber. Nach der Fahrradreparatur die Schmiere von den Händen zu waschen, ist aktuell also nicht drin. Und wenn Mitarbeitern oder Besuchern die Blase drückt, müssen sie sich irgendwo ein Örtchen suchen – kein idealer Zustand. „Wir hoffen deshalb, dass die Stadt uns dabei unterstützt, hier sanitäre Anlagen einzurichten“, so Stüber.

Umso wichtiger ist das, weil die Fahrradwerkstatt viel mehr ist als eine Werkstatt: Sie ist auch ein Treffpunkt für Menschen aus Weilheim und Umgebung mit und ohne Migrationshintergrund. Das wird an diesem Montagabend sehr deutlich. Längst nicht alle Anwesenden sind auf der Suche nach einem Fahrrad. Viele genießen einfach Gesellschaft und Gespräche, essen gemeinsam Gebäck und trinken aus kleinen Tassen Tee, den die neuen syrischen Nachbarn vorbeibringen. Ein Paradebeispiel gelebter Integration also. Und der Nachhaltigkeit: „Bei uns bekommen Fahrräder ein zweites oder sogar drittes Leben“, sagt Ralf Stüber und deutet zum gut gefüllten Lagerraum. Kurz drauf kommt weiterer Nachschub: Ein Mann gibt drei ausrangierte Räder ab. Ein rotes ist dieses Mal nicht dabei. Aber die Chancen stehen gut, dass eines davon trotzdem genau das richtige für einen der künftigen Besucher ist.

 

Jeden Montag werden Fahrräder angenommen, repariert und verkauft

Die Fahrradwerkstatt Weilheim in der Unteren Rainstraße 34 ist jeden Montag ab 19 Uhr geöffnet. Ihr Angebot richtet sich an Geflüchtete und Bedürftige, aber auch an alle anderen Interessierten aus Weilheim und Umgebung.

Jeder, der Interesse hat, kann dort gebrauchte Fahrräder für kleines Geld erwerben, ausrangierte Räder spenden oder seinen fahrbaren Untersatz reparieren lassen.

Gegründet worden ist die Fahrradwerkstatt vor sieben Jahren unter dem Dach des Weilheimer AK Asyl. Im Werkstatt-Team arbeiten Einheimische, aber auch Menschen mit Fluchthintergrund mit.