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„Ein Angriff auf die Demokratie“

Freihandel Im Spitalkeller spricht Herta Däubler-Gmelin beim Kirchheimer Bündnis gegen TTIP über das, was sie an den geplanten Abkommen für besonders gefährlich hält. Von Andreas Volz

Volles Haus für die einstige Bundesjustizministerin in Kirchheim: Das Interesse an ihrer Meinung zu den Freihandelsabkommen war
Volles Haus für die einstige Bundesjustizministerin in Kirchheim: Das Interesse an ihrer Meinung zu den Freihandelsabkommen war groß.Fotos: Carsten Riedl

Freihandelsabkommen modernen Typs nutzen den großen Konzernen, die günstig produzieren lassen können – auf Kosten der Standards. Das wiederum schadet den Arbeitnehmern und den Mittelständlern, sagt Herta Däubler-Gmelin, die von 1998 bis 2002 als Bundesjustizministerin Mitglied des ersten Kabinetts Schröder war. CETA, TTIP, TiSA: Däubler-Gmelin sieht in diesen Abkommen einen Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit, auf die Sozialstaatlichkeit und auf die Demokratie gleichermaßen und stellt dann kategorisch fest: „Diese Prinzipien sind nicht verhandelbar.“

Im Spitalkeller, wo sie auf Einladung des Kirchheimer Bündnisses gegen TTIP spricht, hat sie das Publikum voll hinter sich. Und sie ermuntert die Anwesenden, sich auch weiterhin dafür einzusetzen, dass die geplanten Abkommen entschärft werden, dass sie also vor ihrem endgültigen Inkrafttreten noch einiges an neo-liberalem Lobby-Geist verlieren: „Es gibt sicher sehr viel Grund für Ärger, aber es gibt keinen Grund für Resignation.“

Den Aufruf, sich weiterhin zu engagieren, unterstreicht sie durch ein Brecht-Zitat: „Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind unentbehrlich.“

Was können nun einzelne Gegner der Freihandelsabkommen tun? Herta Däubler-Gmelin zufolge können sie ihre eigene Lobby-Arbeit betreiben und ihre Abgeordneten anschreiben: „Unterschätzen Sie nicht Ihren Einfluss auf Bundestagsabgeordnete – gerade vor einer Wahl.“

Fast wichtiger sei es, den Europa-Abgeordneten zu schreiben, selbst wenn man normalerweise nicht einmal deren Namen kenne. Eigentlich müssten diese Abgeordneten die Freihandelsabkommen schon in ihrem eigenen Interesse besonders kritisch beäugen, denn: „Man lässt die Institutionen bestehen, höhlt aber das aus, was sie zu sagen haben.“ Ob Gemeinderat, Landtag, Bundestag oder EU-Parlament – die Gremien bleiben aus Sicht Herta Däubler-Gmelins alle bestehen. Aber sie werden bedeutungslos, weil alles bereits in den Freihandelsverträgen festgeschrieben ist.

Um Beispiele ist die Rednerin nicht verlegen: „Ein Gemeinderat erhöht den Gewerbesteuerhebesatz. Das kann dann jeder Investor anfechten, weil es seine Gewinnaussichten schmälert. Wenn sich eine Kommune auf den Rechtsstreit einlässt, kostet sie dieser Streit mehr Geld, als sie durch die Erhöhung der Gewerbesteuer einnimmt.“

Anderes Problem: Vorgesehen sind private Schiedsgerichte. Die bestehen zwar aus Experten, aber genau diesen Experten spricht die einstige Justizministerin die Kompetenz ab, die Balance zwischen individuellem Eigentum und Gemeinwohl zu halten: „Das sind Menschen mit einem Stundenlohn von 700 Euro aufwärts. Die haben doch den Blick auf den Alltag der normalen Menschen längst verloren. Die kennen nur die Interessen ihres kleinen Mandantenkreises.“

Vor den Schiedsgerichten klagen könnten ja nur die Unternehmen. Gewerkschaften dagegen nicht, wenn sie etwa die Absenkung von Standards anprangern wollten. Und zu Standardsenkungen werde es auf jeden Fall kommen, wenn derjenige die Nase vorn hat, der irgendwo auf der Welt günstiger produziert: „Die Konzerne drängen dann unsere Mittelständler aus dem Markt.“

So gesehen, müsste es eigentlich im Interesse aller sein, Verbesserungen bei den Vertragstexten zu fordern, so wie es die Wallonen kürzlich bei CETA getan haben. Deshalb bekräftigt Herta Däubler-Gmelin in Kirchheim die Aufforderung, den hiesigen EU-Abgeordneten auf die Pelle zu rücken: „Sonst beklagen sich die EU-Parlamentarier doch immer, dass sie nicht genügend Rechte haben. Hier haben sei einmal die Möglichkeit, zu beweisen, dass sie ein Parlament sind, das auch wirklich etwas zu sagen hat.“

Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmehlin spricht im Spitalkeller in Kirchheim zum Thema CETA, TTIP, TISA - übernehmen die Weltm
Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmehlin spricht im Spitalkeller in Kirchheim zum Thema CETA, TTIP, TISA - übernehmen die Weltmärkte die Demokratie? Veranstalter ist das Kirchheimer Bündnis gegen TTIP