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„Ein Buch erlebbar machen“

Inklusion In familiärer Atmosphäre veranstaltete die Verbundschule Dettingen ihr alljährliches Literaturcafé inklusive des „Theaters der Dämmerung“, einem Licht- und Schattenspiel. Von Stefanie Klink

Beim Schattentheater von Friedrich Raad (links) sind die Kinder der Verbundschule Dettingen mucksmäuschenstill. Foto: Carsten Ri
Beim Schattentheater von Friedrich Raad (links) sind die Kinder der Verbundschule Dettingen mucksmäuschenstill. Foto: Carsten Riedl

Der Schauspieler Friedrich Raad, der Anfang November im Club Bastion mit „Der kleine Prinz“ aufgetreten ist, zog sein Publikum vom ersten Satz an in den Bann. „Der goldene Vogel“ von den Gebrüdern Grimm wurde mit simplen Schatten und Umrissen gekonnt dargestellt und mit einer Präzision vorgetragen, sodass die Scherenschnittfiguren eine ganz eigene Sympathie und Persönlichkeit erhielten.

Monika Reichenecker, Zuschauerin und selbst ehemalige Elternvertreterin und Elternbeirätin der Verbundschule Dettingen, fand: „Er hat es mit sehr viel Herzblut rübergebracht“, sagte sie. Friedrich Raad meint: „Wenn man selbst begeistert ist, dann begeistert man das Publikum.“

Er hat mit seinem Team nicht nur Märchen und Volkslieder im Repertoire, sondern auch Stoffe wie „Faust“ oder „Siddhartha“ von Herrmann Hesse ins Schatten­theater übertragen. Eine weitere Vorstellung von seinem „Faust“ wird es beispielsweise auch im Frühjahr an einem Kirchheimer Gymnasium geben.

Die Menschen in der rappelvollen Turnhalle der Schule folgten dem Vortrag mucksmäuschenstill. Es war eine fokussierte und klare klassische Geschichtenerzählung, die das Publikum einnahm und mit keinerlei Kinkerlitzchen ablenkte.

Eigentlich schade, dass Friedrich Raad den Zauber hinter den Kulissen gar nicht mitbekommt: „Das ist der Nachteil im Schattentheater - ich sehe die Gesichter der Leute nicht.“ Aber er weiß, wie es den Zuschauern geht: „Menschen sagen mir, sie sind während der Vorstellung vom Verstand in ihr Herz geplumpst.“

Ohne die Zusammenarbeit von Elke Bernhardt, Leiterin des Kindergartens, Karin Frey, Rektorin der Verbundschule und Monika Brändle, Konrektorin, sowie ortsansässigen Vereinen wäre die Veranstaltung nicht möglich gewesen. Allen dreien ist es wichtig, mit der Veranstaltung die Tore der Schule zu öffnen und auch Menschen von außerhalb zu zeigen, wie sie arbeiten und Lerninhalte an Schüler mit leichten bis schweren Behinderungen vermitteln. Auch Berührungsängste sollen abgebaut werden. Daher hat die Schule in den zwölf Jahren seit ihrer Gründung auch zahlreiche Kooperationsprojekte ins Leben gerufen: Einmal die Woche zum Beispiel kommen Achtklässler der Werkrealschule Lenningen zu Besuch, um gemeinsam den Unterricht mitzugestalten. Es geht auch darum, die Stigmatisierung der „Sonderschule“ loszuwerden, die sich immer noch hartnäckig in den Köpfen der Menschen hält. Beate Tress, Elternbeiratsvorsitzende, sagte: „Ich bin froh, dass es so eine Schule gibt. Inklusion ist machbar, aber nicht um jeden Preis.“ Die Mutter einer Tochter mit Behinderung lehnt Inklusion nicht ab, befürwortet aber einen sinnvollen Umgang damit, „sodass sich alle damit wohlfühlen“, vor allem die betroffenen Kinder. Es gebe auch Kinder, die sich in einer „normalen“ Klasse nicht wohlfühlen und den geschützten Raum der Verbundschule begrüßen.

Auf dem Basar wurden an verschiedenen Stationen Mitmachaktionen sowie von Schülern gefertigte Produkte zum Verkauf angeboten, wie Seifen, Kerzen, Kränze, bedruckte Taschen, oder auch Tee, dessen Kräuter aus dem schuleigenen Garten stammen. Im „offenen Klassenzimmer“ konnten sich Besucher ein Bild davon machen, wie der Unterricht abläuft. Es geht darum, so Elke Bernhardt, „mit allen Sinnen an ein Thema heranzugehen. Man muss nicht die Handlung verstanden haben, um ein Buch zu verstehen“. Die Idee sei, „ein Buch erlebbar zu machen“.