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„Ein Impfstoff muss bei Patienten wirken“

Corona Der Freiburger Infektiologe Winfried Kern gab Auskunft bei einer Videokonferenz.

Symbolbild
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Kirchheim. Wie ist die Corona-Lage im Land, was weiß man über das Virus und wie geht es weiter? Antworten auf diese Fragen gab Professor Dr. Winfried Kern, Infektiologe an der Uni-Klinik Freiburg und einer der Pandemie-Berater der Landesregierung, bei einer Videokonferenz. Die hiesigen Grünen-Abgeordneten Andreas Schwarz (MdL) und Matthias Gastel (MdB) moderierten.

Zweite Welle: „Wir haben gute Voraussetzungen, um auch eine zweite Welle gut zu überstehen“, sagt Winfried Kern. Selbst in Freiburg, mit der großen Nähe zum Elsass, seien die Kliniken immer aufnahmefähig geblieben. „Es gab keine kritische Überlastung, trotz hoher Fallzahlen. Das heißt aber nicht, dass alles perfekt gelaufen wäre. Wir wissen auch nicht, wie es im Herbst oder Winter aussieht. Man muss sich darauf vorbereiten, dass Corona im Herbst auf viele Erkältungsfälle trifft - und ab Januar auf echte Grippewellen.“

Krisenmanagement: „Wir hatten regional gesehen nicht überall die gleichen Belastungen. Es hat aber zu lange gebraucht, um das zu erkennen. Wir hätten mehr Verlegungen vornehmen können. Das lässt sich optimieren. Wir müssen lernen, bei weiteren Wellen das Gesamtsystem besser zu nützen.“

Alltagsmaske: „Sie ist nicht perfekt, hilft aber trotzdem, Übertragungen zu reduzieren.“ Wenn nur wenige Menschen auf breiten Wegen im Wald unterwegs sind, sei die Maske weniger wichtig als in einem vollen Bus. Plexiglasvisiere hält Kern ebenfalls für sinnvoll.

Krankheitsverlauf: „Je jünger ich bin, desto höher die Chance, dass ich milde bis gar keine Symptome habe.“ Oft verlaufe die Krankheit asymptomatisch. Manche Todesfälle sind direkt auf Corona zurückzuführen - „auch bei Menschen, die die 60 noch nicht überschritten haben“. Häufig treffe es Menschen mit Vorerkrankungen, „aber nicht ausschließlich“.

Vergleich zur Grippe: „Das Grippevirus ändert sich schneller. Das Coronavirus ist bis jetzt relativ stabil. Die Mutationen werden vielleicht in zehn Jahren ein Thema.“ Sowohl die Grippe als auch Corona können zu Übersterblichkeit führen, also zu mehr Todesfällen als üblich. „Aber es ist nicht in jedem Fall klar, ob das dann allein an Corona liegt oder vielleicht doch an Corona plus Herzinfarkt.“

Kitas und Schulen: Bis zum Ende des Grundschulalters stecken sich Kinder eher über Erwachsene an als untereinander. „In Israel trifft es jetzt in der zweiten Welle sehr viel mehr Schüler. Unklar ist, ob das an der Schule liegt oder an der Freizeit.“ Das gilt auch für die laxe Handhabung der Maskenpflicht.

Vorbeugung: „Es ist plausibel, dass räumliche Distanz relevant ist. Es ist auch plausibel, dass Singen im Chor ungünstiger ist als das Zuhören bei Einzelvorträgen.“ Wenn die Fallzahlen stark steigen, müsse man mit neuen Restriktionen reagieren. Möglicherweise lasse sich die zweite Welle aber auch lokal begrenzen.

Spätfolgen: „Es ist noch zu früh, um Aussagen zu treffen. Aber auch unabhängig von Corona kann eine schwere Lungenentzündung immer zu Spätfolgen führen.“

Impfung: „Im Reagenzglas gibt es schon gute Erfolge. Für mich ist ein Medikament aber erst dann ein Fortschritt, wenn ich sehe, es wirkt bei Patienten.“ Andreas Volz