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Ein Kirchheimer erfindet das „Schachteltheater“

Idee „Alter Ego“ aus der Werkstatt von Theatermacher Christian Laubert verspricht interessante Stunden ganz ohne Zoom oder Teams. Von Irene Strifler

Am Samstag, also pünktlich zum freien Wochenende, trifft die kleine rote Kiste per Post ein. Schon beim Aufpacken hebt sich gewissermaßen der Theatervorhang: Handschriftliche Briefe, Todesanzeigen, Strafzettel, Rechnungen...vieles, was ein Menschenleben ausmacht, lugt da hervor. Das macht neugierig. Außerdem gibt‘s eine CD. Doch wo ist die Anleitung? Richtig, es gibt keine. Und das ist wahrlich gut so. Schließlich ist die coranagebeutelte Gesellschaft der Passwörter und elektronischer Codes überdrüssig. All das braucht hier keiner.
Man muss nicht altmodisch sein oder aber bewusst dem Retro-Trend huldigen, um sich mit der Kiste gleich wohl zu fühlen. In einer Mußestunde kann man erst einmal genüsslich die gesammelten Materialien durchblättern, in Briefen und Spiegelartikeln schmökern und sich so seine Gedanken machen, ehe man sich im Sessel zurücklehnt und der CD lauscht. Es geht aber auch andersrum. Aus dem Miteinander ergibt sich ein Bild von der Geschichte um Konrad Heinzelmann und seine Enkelin Luise. Am besten funktioniert das Ganze – im Gegensatz zum echten Theaterabend – in der Kleingruppe oder sogar allein. Spaß bringt das gegenseitige Vorlesen der Briefe, Strafzettel, Versicherungsschreiben. So muss keiner Rücksicht nehmen auf die Lesegeschwindigkeiten anderer.

 

„Die 70er waren so übersichtlich, so einfach,
man konnte sich in einer Sache richtig auskennen.
Christian Laubert erklärt sein Faible für diese Epoche.


„Wir wollten schon immer mal ein ganz anderes Theaterstück machen“, berichtet Christian Laubert. Er stammt aus Kirchheim, hat hier im Jahr 1984 am Ludwig-Uhland-Gymnasium sein Abitur abgelegt. Seine große Liebe zum Theater hat ihre Wurzeln in der damaligen Theater-AG unter der Leitung des theaterbegeisterten Deutschlehrers Ulrich Staehle. Laubert hat Theologie, Geschichte, Germanistik und Pädagogik in Heidelberg und München studiert. 2004 gründete er mit anderen das Freilandtheater am Freilandmuseum Bad Windsheim. Heute leitet er es mit seiner ebenfalls aus Kirchheim stammenden Frau Karin Hornauer und schreibt auch jedes Jahr mindestens ein eigenes Stück.
Jetzt also ein Theater in der Schachtel – Corona geschuldet. Es handelt sich um einen Road Trip, der sich vor dem geneigten Leser und Hörer nach und nach entfaltet. Ein Roadtrip aus dem Jahr 2019, der immer wieder in die wilden 70er zurückblendet. Damals war nicht nur der Autor Christian Laubert jung, sehr jung sogar, auch Protagonist Konrad Heinzelmann und seine WG-Bewohner befanden sich im aufmüpfigen Studentenalter. Sie waren jung und links. Doch auch 40 Jahre später hat es das Trio, das da mit der jungen Frau durch Deutschland tingelt, noch faustdick hinter den Ohren. Zur Sprache kommen vor der jungen Luise so manche Dinge, die nicht mal unter den Freunden geklärt waren. „Die 70er waren irgendwie so übersichtlich und einfach, man konnte sich noch perfekt in einer Sache auskennen“, erklärt der Autor sein Faible für diese Zeit. Speziell die Jahre um 1977 empfindet er als eine Art Wendepunkt, bei dem die Zukunftshoffnung in eine eher düstere Stimmung kippte.
Wer die Stücke von Christian Laubert kennt, weiß, dass er den hintergründigen Humor schätzt und seine Stücke unterhaltsam sind, mitunter bis zum Klamauk. So manche Pointe offenbart sich während des Genusses des neuen „Schachteltheaters“. Und der Schluss, soviel sei schon verraten, hat es echt in sich.
Ideen für weitere Geschichten, die sich gut in der Schachtel erzählen lassen, hat Christian Laubert schon. Unterdessen hofft er aber auch, dass der ganz normale Betrieb im Freilandtheater wieder seinen Lauf nimmt. „Alles bleibt anders“ heißt sein neuestes Stück, das am 16. Juli im Freilandttheater Bad Windsheim Premiere feiern soll.

Theaterfreunde, die sich auf den Roadtrip in der Schachtel einlassen und einen vergnüglichen Abend verbringen wollen, finden die nötigen Bestellinformationen auf
www.freilandtheater.de