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Ein Krimi in der Kirche

Literatur Rafik Schami erzählt in der Martinskirche über seinen Krimi „Die geheime Mission des Kardinals“. Typisch für einen Krimiautor: Das Ende seines Romans wird aus Spannungsgründen nicht verraten. Von Ulrich Staehle

Der Autor Rafik Schami.
Rafik Schami erzählt in der Martinskirche über seinen Krimi „Die geheime Mission des Kardinals“. Foto: Jean-Luc Jacques

Rafik Schami kam schon 2008 und 2015 nach Kirchheim, um seine neuen Werke vorzustellen. Diesmal war der Krimi „Die geheime Mission des Kardinals“ dran. Es ist eine Besonderheit, dass er in der Provinz auftritt, es ist eine Besonderheit, dass er bei seinen Auftritten nicht liest, sondern nur erzählt, und es ist eine Besonderheit, dass er wohl deshalb große Säle füllt. Bisher trat er in der Stadthalle auf, diesmal aus Termingründen in der Martinskirche.

Dass dies keine Notlösung ist, stellten zu Beginn zwei geistliche Vertreter der Martinskirche klar. Dekanin Renate Kath und Pfarrer Jochen Maier betonten mit Nachdruck, dass gerade die Kirche „ein Raum des Zuhörens und des Geschichtenerzählens ist. Erzählungen prägen unsere Weltsicht“.

Gastgeberin Sibylle Mockler von der Buchhandlung Zimmermann, der die guten Kontakte zu dem Autor und dessen Verlag zu verdanken sind, betonte bei der Vorstellung des Autors, dass die Wirkungskraft einer Erzählung im „Wie“ des Erzählens liege und verwies auf den Evangelisten Lukas, der aus der Geburt Jesu eine sehr lebendige Story voller Dramatik gemacht habe.

Nun trat der Katholik Schami, ein erklärter Vertreter religiöser Toleranz, vor den Altar und legte in bewährter orientalischer Erzähltradition los: völlig frei und dadurch mit ständigem Blickkontakt zu seinen Zuhörern. Lebhafte Mimik und Gestik intensivierten die Aussagen. Ab und zu vergewisserte er sich, ob die Hörer auch noch dabei sind. In Kirchheim hat er mittlerweile eine große Fangemeinde, die ihm aus der Hand frisst.

Seine Erzählung bot inhaltlich Grundlage für die Krimihandlung, garniert mit zusätzlichen unterhaltsamen oder informierenden Randbemerkungen. Als Leitfaden nahm der Erzähler das Tagebuch, das Kommissar Barudi im Roman führt, um seine Depressionen zu lindern - ein erzähltechnischer Kniff: Dadurch konnte der Autor Schami die Zeitebenen wechseln und vielerlei Privates sowie Gesellschaftliches mitteilen, beispielsweise, dass in Arabien eine unangreifbare Macht der Sippen herrscht, geprägt von Patriarchat und Korruption, oder dass das Verhältnis zu ihren Verstorbenen anders ist.

Krimis beginnen mit einem Verbrechen. Es geschieht ein makabrer Mord. Ein Kardinal, der in geheimer Mission im Auftrag des Vatikan 2010, noch vor den Kriegshandlungen, nach Arabien reiste, wird tot in einem Ölfass bei der italienischen Botschaft in Damaskus abgeliefert. Zur Aufklärung dieser diplomatisch hoch delikaten Angelegenheit ist Kommissar Barudi ausersehen, der bereits schon die Tage bis zum Ende seiner Dienstzeit zählt. In seiner schwierigen Lage bekommt er einen italienischen Kriminalkommissar an seine Seite, der aber vorsichtshalber zum Journalisten umfrisiert wird. Sie reisen in den Norden Syriens zu einem Wunderheiler, den der Kardinal offensichtlich besucht hat.

Auf der Reise geraten sie aber in Gefangenschaft des IS, werden aber auf wundersame Weise vor der Hinrichtung gerettet: Der Befehlshaber der Truppe ist Scharif, der zwei Jahre als glückliches Pflegekind bei Barudi und seiner geliebten Frau Basra gelebt hat, bis er ihnen entrissen wurde und Basra aus Kummer darüber starb. Scharif hilft ihnen auch, die Täter zu finden. Ende? Nein!

Rafik Schami kündigte an, dass er den Roman nicht von A bis Z erzähle, sondern nur von A bis W, schließlich sei es ein Krimi. Daran hielt er sich. Allerdings sei so viel verraten: der Autor beherrscht perfekt das Krimigenre, beim Kommissar klingelt immer zur rechten Zeit das Handy und er unterhält sich in Restaurants bei passendem Essen und viel Kaffee mit den richtigen Leuten. Natürlich hat er auch ein Privatleben mit Liebesfreud und Liebesleid. Ein positives Ende in dieser Hinsicht durfte der Zuhörer schon erfahren.

Welch eine Leistung. Anderthalb Stunden hat Schami sein Publikum unterhalten. Er kündigte an, in drei Jahren mit „Geschichten ohne Kriminalität und Erotik“ wiederzukommen. Nach rauschendem Beifall wurde der Signiertisch mit den Büchern gestürmt.

Über den Krimiautor

Rafik Schami, geboren 1946 in Damaskus, besuchte eine katholische Schule. Chemiestudium und erste Versuche als Schriftsteller. Wegen der Zensur wanderte er 1971 in die Bundesrepublik aus. Er promovierte in Chemie, entschied sich aber dann für die Schriftstellerei. Seit 1978 schreibt er seine Bücher in deutscher Sprache. Heute gehört er zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren. 62 Bücher verschiedener Gattungen werden gezählt.

Er besitzt eine Art Bestsellergarantie. Zeitgleich mit dem Erscheinen von „Die geheime Mission des Kardinals“ in diesem Jahr kam ein Hörbuch auf den Markt und startete im Rundfunk eine Lesung in 40 Folgen.us