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Ein neues Haus für historische Pfeifen

Orgelbau Andreas Schmutz aus Donnstetten bekam den Auftrag für eine neue Orgel. Ein Großprojekt, entstanden mit präziser Handwerkskunst und einem Augenmerk auf Nachhaltigkeit. Von Karolin Müller

Die Orgel – sie wird auch Königin der Instrumente genannt. 2021 wurde sie zudem zum Instrument des Jahres gekrönt, und im Dezember 2017 wurde der Orgelbau und die Orgelmusik in Deutschland zum immateriellen Kulturerbe der Unesco erklärt.

Deutschlandweit gibt es noch rund 400 Orgelbauer. Einer von ihnen lebt in Donnstetten: Andreas Schmutz. Wer ihn in seiner Werkstatt antrifft und über den Beruf sprechen hört, der wird schnell merken, dass hier jemand mit Leib und Seele bei der Arbeit ist.

 

Das ganze Projekt war eine Herausforderung
Andreas Schmutz, Orgelbauer

 

Während viele nach dem Abitur ihren Weg erst noch finden müssen, wusste Andreas Schmutz sofort, welchen er einschlagen wollte und begann seine Ausbildung zum Orgelbauer. Nach 25 Jahren im Beruf, von denen er seit 18 Jahren selbstständig ist, scheint ihn die Leidenschaft nie verlassen zu haben.

Ob Neubau, Restaurierung, Wartung und Stimmung oder die klangliche Gestaltung der Orgelpfeifen (Intonation) er macht alles selbst, mit viel handwerklichem Geschick und einem überaus feinen Gehör.

Seit zwei Jahren hat Andreas Schmutz eine neue Werkstatt, endlich groß genug für seinen Bedarf. Zum Glück muss man wohl sagen, denn sein jetziges Projekt ist alles andere als klein. Um genau zu sein, ist es in all den Jahren, die größte Orgel, die er gebaut hat. Sie ist gute sechs Meter hoch, um die vier Meter lang und etwa zwei Meter tief.

Die insgesamt 1188 Pfeifen haben dabei eine ganz besondere Geschichte. Ein Kollege hatte Andreas Schmutz schon vor etlichen Jahren erzählt, dass in England Orgeln verkauft werden, da sie in dortigen Kirchen nicht mehr gern gespielt werden.

Dann habe er selbst, auch viele Jahre zurückliegend, dieses eine Instrument in Sheffield gesehen. Trotz seiner Faszination habe er es aber wieder ad acta gelegt, die Orgel zu kaufen, vor allem wegen ihrer Größe. Als dann aber die Neuapostolische Kirche aus Schorndorf auf ihn zugekommen sei, fiel ihm die Orgel wieder ein. Sein Auftraggeber sei sofort begeistert gewesen, die Pfeifen aus jener Englischen für die Neue zu verwenden.

Alte Orgelpfeifen einzubauen, hat dabei gleich zwei Vorteile, zum einen die Nachhaltigkeit und zum anderen natürlich die Preis­ersparnis. „Das Instrument hätte sonst das doppelte gekostet“, erklärt Schmutz. Und während er auf die Metallpfeifen zeigt, ergänzt er: „Die wären eingeschmolzen worden.“ Die Holzpfeifen, von denen die Größte eine Länge von etwa fünf Metern und einen Umfang von zirka 40 Quadratzentimetern aufweist, wären sicher klein gemacht und verbrannt worden, ebenso wie es mit dem ehemaligen gotischen Gehäuse geschehen ist. Und so war die Fahrt nach England dann auch eine Art Rettungsaktion. Immerhin stammen die Orgelpfeifen allesamt aus dem Jahr 1904.

Nun dürfen sie aber bald in einem neuen Gehäuse erklingen. Im Januar hatte Andreas Schmutz die Pläne für die neue Orgel entworfen. Nachdem diese vom Orgelsachverständigen geprüft und abgenommen worden waren, ging der eigentliche Bau los. Das ganze Jahr über hatte er daran gearbeitet. Und wer genau hinschaut, der weiß auch warum. Denn hier ist wirklich alles von Hand gemacht. „Vom Gehäuse über die zweimanualige Spielanlage mit ihren 5 Oktaven Tonumfang bis hin zu den Registerschaltungen. Das ehemals elektrisch angesteuerte Werk wurde komplett auf eine mechanische Funktionsweise umgestellt. Die Übertragung von den Tasten und Pedalen zu den Ventilen der einzelnen Pfeifen ist somit elegant zu bespielen“, erläutert Schmutz.

Auch die mechanischen Schleifladen, die als Schalt- und Regelstation einer Orgel dienen, sind in präziser Handarbeit entstanden, genau wie sämtliche Kleinteile, ob Holz oder Metall, und die insgesamt 19 verschiedenen Register und deren Züge. Sie dienen dem an- und ausschalten eines einzelnen Registers. „Durch Mischung ergeben sich neue Klangfarben, ein ganz eigener Charakter“, sagt Schmutz während er durch das Ziehen und Drücken der Registerzüge, die Orgel jeweils mit ganz anderen Tönen erklingen lässt. „Für romantische Musik ist sie eher geeignet, wie für andere Literatur“, ergänzt er.

Betrachtet man die komplette Orgel von oben und innen, wo man einen Blick auf die kleinen Teile mit samt ihren Verbindungen hat, versteht man, was Andreas Schmutz meint, wenn er sagt: „Das war eine Herausforderung, das ganze Projekt.“

Für den Orgelbauer heißt es jetzt, alles wieder abzubauen und die Holzteile, inklusive der handgefertigten großen Flügel zum laut und leise stellen, zu lackieren. Dann findet der große Transport nach Schorndorf statt, wo alles wieder aufgebaut wird. Schätzungsweise werde das zwei Wochen dauern. Anschließend folgt die klangliche Arbeit. Insgesamt drei Wochen werde diese in Anspruch nehmen. Dabei wird jede einzelne Pfeife eingesehen und der Klang dem Raum angepasst. „Das ist der Bereich, wo der Orgelbau in Kunst übergeht“, erklärt Schmutz. Denn die Einstellung der Klanggebung verlaufe rein über das Gehör.

Bei all der Arbeit, die in diesem Meisterwerk steckt, ist eine Sache etwas schade: In ihrer neuen Heimat, der neuapostolischen Kirche, die 2021/2022 komplett renoviert wurde, wird die Orgel leider hinter einer Verkleidung versteckt sein. Aber zumindest wird sie, dank einer Beleuchtung, durch die Gitter im oberen Bereich durchschimmern, wenn gespielt wird.

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Meter hoch ist die neue Orgel, an der Andreas Schmutz das ganze Jahr über gearbeitet hat, hoch. Insgesamt wurden 1188 englische Orgelpfeifen aus dem Jahr 1904 verbaut.