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Ein paar Kracher sorgen in jeder Hinsicht für Krach

Diskussion endet mit Schlägen und Tritten – Streit vom frühen Neujahrsmorgen 2014 wird mühsam vor Gericht aufgedröselt

Aus einzelnen Mosaiksteinchen muss sich Amtsrichterin Franziska Hermle-Buchele derzeit ein Bild zusammensetzen – ein Bild vom Geschehen am Kirchheimer Postplatz in der Silvesternacht von 2013 auf 2014. Ein heute 42-Jähriger war zu Boden gegangen. Nun will es aber keiner gewesen sein, der geschlagen und getreten hat – schon gar nicht die beiden Angeklagten.

Kirchheim. Das Geschehen, an dem Angeklagte, Opfer und zahlreiche Zeugen beteiligt waren, scheint wohl durchaus dasselbe gewesen zu sein. Aber ihre Erinnerungen sind sehr unterschiedlich. Entzündet hatte sich der Streit am 1. Januar 2014, kurz nach Mitternacht, an Böllern, die das spätere Opfer geworfen hatte. Er selbst sagt, er habe die Kracher extra dorthin geschleudert, wo sich niemand aufgehalten hat. Zwei Zeugen sind allerdings der Meinung, die beiden Böller seien ihnen regelrecht um die Ohren geflogen.

Der eine Zeuge, ein 34-Jähriger, will den Böllerwerfer unmittelbar zur Rede stellen – nicht nur, weil er sich selbst durch die Böller beeinträchtigt fühlt, sondern auch, weil seine Freundin dadurch belästigt worden sei. Immerhin war diese zur Tatzeit gerade im sechsten Monat schwanger.

Die beiden Kontrahenten – der 34-Jährige und der 42-Jährige – kennen sich seit vielen Jahren, wenn auch eher flüchtig und oberflächlich. Deshalb geraten sie lediglich verbal aneinander und schubsen sich vielleicht ein wenig dabei. Sie beschreiben das auch im Zeugenstand so: Da war eigentlich nichts, meinen sie, nur eine kleine Auseinandersetzung, ohne echte Handgreiflichkeiten.

Zum Handgemenge kommt es erst kurz darauf, als der 34-Jährige sich schon wieder abgewandt hatte, um nach seiner schwangeren Freundin zu sehen. Deshalb hat er auch nicht sehen können, wer den 42-Jährigen zu Boden warf, ihn mit der Faust schlug und mit Tritten traktierte.

Nur an einem Punkt ist er sich absolut sicher: Sein 32-jähriger Bruder, der deswegen auf der Anklagebank sitzt, kann es nicht gewesen sein. Und der 25-jährige Mitangeklagte? Der kann es auch nicht gewesen sein, denn „der wollte ja nur schlichten“. Genau das sagt der Mitangeklagte mit der auffälligen Frisur auch selbst.

Mit seiner gestrigen Frisur fällt er auch schon auf. Vor knapp zwei Jahren trug er die Haare aber noch viel auffälliger, weswegen ihn der 42-jährige Geschädigte auf Facebook identifizieren konnte. Auch die 22-jährige Tochter des Geschädigten, die ebenfalls einen Faustschlag und Fußtritte abbekommen hat, kann sich genau an die Frisur erinnern, die an den Seiten wohl mehr eine Kahlrasur war. Dafür war der Rest der üppigen Haare „nach hinten gegelt“.

Genau er und der andere Angeklagte, der von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, seien es gewesen, von denen die Schläge und die Tritte auf Vater und Tochter ausgingen. Da sind sich die Geschädigten vollkommen sicher.

Der 25-Jährige dagegen geht offenbar von einem Komplott aus, das die beiden eigentlichen Kontrahenten nachträglich gegen die Angeklagten geplant haben: Es werden einfach die beiden Falschen beschuldigt, um vor Gericht eine so große Verwirrung zu stiften, dass am Ende nach Möglichkeit keiner verurteilt wird. – Das ist so widersinnig wie es klingt und dürfte den Angeklagten auch nicht wirklich aus der Patsche helfen.

Ein Urteil hat es gestern noch nicht gegeben, weil nicht alle geladenen Zeugen erschienen sind. Ende Oktober kann die Richterin also weiterarbeiten an ihrem Mosaik. Was lässt sich aber jetzt schon aus dem Fall lernen? Zu Silvester – wenn schon geschossen werden muss – lieber Raketen kaufen als Kracher, dann gibt‘s vielleicht auch sonst keinen Krach.