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Ein Schutzengel begleitet sie

Geburtstag Ursula Teske wird morgen 100 Jahre alt. Sie blickt auf ein ereignisreiches Leben zurück – und erzählt von Bombenangriffen in Dresden, Kreuzfahrten und klassischer Musik. Von Dorina Schreiber

Wenige Tage vor ihrem 100. Geburtstag plaudert die Ötlingerin Ursula Teske über ein Jahrhundert in Deutschland.Foto: Jean-Luc Ja
Wenige Tage vor ihrem 100. Geburtstag plaudert die Ötlingerin Ursula Teske über ein Jahrhundert in Deutschland. Foto: Jean-Luc Jacques

Ursula Teske feiert morgen in Ötlingen ihren 100. Geburtstag. Die Dresdnerin erzählt von Bombenangriffen und davon, wie sie die in den Trümmern des Krieges verlorenen Familienmitglieder wiedergefunden hat. Sie erzählt von Kreuzfahrten und Tennis. Sie sieht sich selbst als Glückspilz, gesegnet mit Schutzengeln. Sie ist dankbar, dass sie vieles überlebt hat. „Mein Leben war schön“, sagt sie. Die Positivität, die sie ausstrahlt, zieht sich durchs ganze Gespräch.

Ihre Kindheit beschreibt die 100-Jährige als wunderschöne und sorglose Zeit. Mit ihren Eltern hat sie oft stundenlange Spaziergänge entlang malerischer Landstriche um Dresden unternommen. Sie erinnert sich an die Café-Besuche und Urlaube in den Alpen und auf Usedom, wo sie Deutschland kennen und lieben lernte. Die Beschreibung der Dresdnerin über ihre Heimatstadt lockt ihr ein versonnenes Strahlen auf die Züge. Schwärmend berichtet sie von den kulturellen Schätzen der Stadt: dem Zwinger, der Frauenkirche, historischen Gemälden und Galerien. Sie denkt an die vielen Opernbesuche und empfiehlt nachdrücklich einen Besuch der Stadt. Dresden ist für sie immer ein Ort der Sicherheit und Geborgenheit gewesen.

Den Beginn eines neuen, von Schatten geprägten Lebens sieht Ursula Teske in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945. Die Nacht, in der die Geborgenheit ihrer Kindheit mit einem, dann zwei Schlägen verlorenging. Hochschwanger befand sich die Jubilarin mit ihren Eltern im Haus, dann gab es eine erschütternde Explosion. In dem anschließenden Durcheinander und den vielen Trümmern verlor Ursula Teske ihre Eltern aus den Augen, als diese nach dem ersten Angriff im Nachbarhaus untergekommen waren. Mit einem Koffer voller Nahrungsmittel, der etwa 20 Kilo gewogen hat, machte sich Ursula Teske allein auf die Flucht. Über Nacht harrte sie auf der Straße mit anderen Überlebenden und ihrem Koffer aus. Unter keinen Umständen durfte sie ihn verlieren.

Hochschwanger in den Trümmern

Für Ursula Teske waren die anderen ein tröstlicher Anblick, doch als sie aufwachte, waren alle weg - und sie allein. „Was mir Kraft und Ansporn gab, weiterzugehen, war mein Kind“, erinnert sie sich. 14 Tage später kam ihr Sohn auf die Welt. Ihr Leben beschreibt die Jubilarin als eine Odyssee, die in diesem Augenblick begann. Von Dresden ging es nach Meisen, Heinzberg und schließlich wieder zurück nach Dresden.

Mit ihrem Ehemann war sie in dieser Zeit immer wieder nur kurz vereint. Zunächst ständig an der Front, war er nach dem Krieg auf der Suche nach Arbeit oft weg. Als Offizier gab es für ihn nach Kriegsende im neuen Arbeiter- und Bauernstaat keinen Platz und sie zogen nach Berlin. „Wir kamen vom Regen in die Traufe“, sagt sie heute. Sie lebte in der DDR, wohingegen ihr Mann in die BRD ausgewiesen wurde, weil sein Beruf nicht erwünscht war.

Ihr Mann wartete schließlich 1955 im Westen auf sie, während sie selbst aus der DDR zu fliehen versuchte. Zusammen mit ihrer Mutter gab sie an, Tempelhof besuchen zu wollen. Der Mauerbau fand sechs Jahre später statt. Nach einer zufällig erfolgten Befragung, die Ursula Teske eine Stunde mit klopfendem Herzen ertrug, bekamen sie schließlich die Erlaubnis, die DDR für einen Besuch verlassen zu dürfen.

Die Dresdnerin fremdelte lange mit dem Schwabenland und Kirchheim. Nach dem Tod ihres Mannes 1989 entdeckte sie die Leidenschaft für klassische Musik und wurde Stammgast in der Stuttgarter Liederhalle. Bis vergangenes Jahr hörte sich die rüstige Rentnerin dort regelmäßig Konzerte an, am liebsten das Klavierkonzert Nr. 5 von Beethoven. Ansons­ten besucht sie immer noch gerne Lesungen in Kirchheim.

Ihre Einkäufe erledigt sie zu Fuß mit ihrem Rollator auf dem Wochenmarkt. Ursula Teske schaut auch gerne Sport im Fernsehen an, beispielsweise Tennis. Das erinnert sie an ihren Mann, mit dem sie regelmäßig in jungen Jahren diesen Sport betrieb. Eine Begeisterung hat die 100-Jährige insbesondere auch für das Aachener Reitturnier - und für Kreuzfahrten. Die führten sie nach Norwegen und Schottland. Ihr Leben lang war sie auf Achse, besuchte Freunde und Familie.

Ihren Geburtstag feiert Ursula Teske im engsten Familienkreis. Dazu zählen ein Sohn und eine Tochter und vier Enkel. Vor allem aber freut sie sich auf das neun Monate alte Urenkelchen.