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Ein wahrer Tausendsassa

Hobby Der Dettinger Karl Oesterle, Jahrgang 1935, hat vielseitige Interessen. Dabei war der Weg zum wandelnden Lexikon bei ihm nicht vorgezeichnet. Jetzt sucht er einen Nachfolger für sein Privatarchiv. Von Peter Dietrich

Karl Oesterle hat es nicht nötig, seinen Lebenslauf zu „frisieren“: Die Frage, ob er als Kind ein guter Schüler war, beantwortet er mit einem ehrlichen „Nein“. Wie soll man auch vernünftig lernen, mit 54 Kindern in einer Klasse? Gestrickt hat er aber gerne als Junge, hat das auch anderen beigebracht.

Sein umfassendes Interesse, etwa an der regionalen Geschichte, erwachte erst später so richtig. Er bildete sich bei Vorträgen der Volkshochschule weiter. Entscheidend waren die Kontakte zu ganz verschiedenen Menschen, darunter Lehrer und Schulleiter, sie brachten ihn voran. Seine Fähigkeiten wurden von anderen erkannt, etwa im Musikverein Dettingen. Als dort der Schriftführer verstarb, hieß es gleich: „Das wäre etwas für dich.“ Die Festschrift zum 75-jährigen Bestehen des Vereins hat er gemeinsam mit seiner Frau Anneliese verfasst. In der Festschrift zeigt sich deutlich - er konnte nicht nur mit Gips umgehen, das war sein Beruf, sondern auch mit Worten und Geschichten.

Schon ab 1954 war Karl Oesterle im Musikverein aktiv, spielte dort die kleine Trommel. Hinzu kam das Engagement in vielen anderen Vereinen: beim Schwäbischen Albverein, dem Bund für Vogelschutz (heute NABU), dem Schützenverein, dem Obstbauring und dem Bund Naturschutz Alb-Ne­ckar (BNAN).

Er war Gründungsmitglied der NABU-Ortsgruppe, und das mit vollem Engagement. Zusammen mit Gerhard Bauer baute er aus Holz 350 Nistkästen, der Förster stellte dafür einen kleinen Baumstamm zur Verfügung. Die Nistkästen wurden mit Dachpappe eingekleidet.

Wie kam Karl Oesterle zu den Ameisen? Übers Vogelfutter. Wenn Vögel wie der Grünspecht und Schwarzspecht von Ameisen lebten, müsse man auch diese schützen, befand er. Wenn ein Ameisenhaufen nicht dort ist, wo für ihn Platz ist, dann gehört er eben versetzt. Er pflegte Kontakte nach Göppingen, wo damals ein Ameisenschutzverein gegründet wurde. Überhaupt: Was Karl Oes­terle so alles an Kontakten und Namen erwähnt, wenn er berichtet, zeigt ihn als hervorragenden Netzwerker - lange bevor dieses Wort modern wurde.

Vieles vom Vater übernommen

Die Achtung vor der Natur hat er schon als Kind gelernt. Der Vater konnte hervorragend mit der Sense umgehen, mähte um Ameisenhaufen immer vorsichtig herum: „Ja nicht zusammentreten, die brauchen wir!“ Wenn andere den Rasen mähen, bevor irgendetwas blüht, ärgert es ihn. „Im Sommer ist der kurze Rasen dann verbrannt.“

Die regionale Geschichte hat es Karl Oesterle ebenfalls angetan, und so war er bei vielen Dettingern häufig sonntags zu Besuchen. „Geh auf die Bühne, da ist eine Schachtel, da findest du was“, bekam er bei diesen Besuchen öfters zu hören. „Nimm es mit, die Jungen schmeißen es sowieso hinaus.“ So hat er reihenweise Ordner gesammelt, mindestens 40 Stück, in denen alles fein säuberlich aufgeschrieben und mit Hüllen versehen ist. Die Vergangenheit zu vergessen, nichts aus ihr zu lernen, fände er unerträglich: „Es ist gut, dass wir den Geschichtsverein haben.“

Auch der Fotografie hat sich Karl Oesterle gewidmet, vom Konfirmationsgeld hat er sich 1948 die erste Kamera gekauft. Später entwicklete er Papierbilder und Dias sogar selbst.

Ein weiteres Steckenpferd ­Oesterles war und ist immer noch die Eisenbahn: „Der Urlaub ging immer dorthin, wo es raucht und zischt“, meint er schmunzelnd. So wundert es auch nicht, dass im Garten ein zweiflügliges Signal prangt: Es wurde am Dettinger Bahnhof nicht mehr gebraucht und mit dem Kran direkt vors Haus auf dem Guckenrain gestellt.

„Jetzt haben wir über das Wichtigste gar nicht gesprochen“, sagt Karl Oesterle umd meint damit die Geschichte der schönen alten Bogenbrücke über die Lauter. „1984 sollte sie abgerissen werden“, berichtet er. Die Mehrheit im Dettinger Gemeinderat wollte es so. Da habe er gemeinsam mit anderen Bürgern beim Bürgermeister dagegen protestiert. Dann kam das Regierungspräsidium Stuttgart zur Besichtigung und habe verkündet, die Brücke bleibe. Die Brücke wurde renoviert. „Am Ende kam raus, eine 08/15-Betonbrücke wäre teurer gewesen.“