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Ein wirkungsvoller Schwabe

Thomas Knubben stellt den Wunderheiler Franz Anton Mesmer vor

Kirchheim. „Franz Anton Mesmer ist einer der wirkungsvollsten Schwaben“ – Mit dieser kernigen Behauptung beginnt Thomas Knubben

den Bericht über den Arzt und Wunderheiler. Allerdings kennen nur wenige Schwaben ihren „wirkungsvollen“ Landsmann. Um dem aufzuhelfen, hat der Literaturbeirat Thomas Knubben eingeladen. Er ist gebürtiger Schwabe und hauptberuflich Professor für Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Er hat die Gedächtnisausstellung zum 200. Todestag Mesmers in Meersburg kuratiert und gleichzeitig eine fundierte Mesmerbiografie geschrieben.

Mesner starb 1815, wurde also für die damalige Zeit mit 81 Jahren recht alt. Er verfügte als „gemeiner Mann“ beerdigt zu werden und „daß vorher mein Körper aufgeschnitten und geöffnet werde, und besonders in der Gegend der Blase gesehen werde, was die Ursache des vieljährigen Leidens gewesen sei“.

Die Medizin war damals von der aus der Antike überlieferten Lehre von den vier Säften geprägt. Für den Arzt bestand die Aufgabe, diese Säfte in eine Harmonie zu bringen, mit Aderlässen oder mit Abführmitteln etwa. Auch Mesmer therapierte anfangs so seine Patienten. 1734 wurde Mesmer bei Radolfzell als Sohn eines Försters geboren. Sein Talent wurde vom Pfarrer entdeckt und er kam auf eine Jesuitenschule. Anschließend konnte er aufgrund eines Stipendiums alle Fächer studieren die ihn interessierten, bevor er nach 16 Jahren mit dem Doktor der Medizin abschloss. Er heiratete eine wesentlich ältere verwitwete Obristentochter mit reicher Mitgift. Das Paar führt in Wien ein großes Haus, das zu einem beliebten Treffpunkt von Kunst und Wissenschaft wird. Unter den Gästen sind auch Vater und Sohn Mozart.

Bei einer Hausangestellten setzte Mesmer Magnete ein, hatte Erfolg und entwarf eine Theorie des Animalischen Magnetismus. Knubben fasst zusammen: „Dreh- und Angelpunkt von Mesmers Theorie des Animalischen Magnetismus war die These von der Existenz eines Fluidums, jener gewichtslosen Materie, die den Kosmos durchdringe.“ Mesmer verknüpfte seine Theorie mit dem Kosmos, der in allen seinen Erscheinungen von diesem Fluidum erfüllt sei. Seine Heilerfolge machten ihn bekannt. Er entwickelte das Baquet, eine Art Badezuber mit Gerätschaften. Hier versammelten sich Patienten, die durch Stangen, Seile oder Händedruck verbunden waren und unter dem Einfluss des kosmischen Fluidums ihre Körpersäfte in Bewegung brachten. Dazu machte Mesmer mit einer Glasharfe psychedelische Musik.

Nach der Behandlung einer jungen, blinden Pianistin wurde Mesmer von der kaiserlichen Ärztekommission als Betrüger eingestuft, obwohl er einen Anfangserfolg erzielte. Die Ärzte fühlten sich offensichtlich gekränkt und die Eltern wollten ihre Tochter blind auf Konzertreisen vermarkten. Er ging nach Paris, hatte dort großen Zulauf, allerdings verbot eine Ärztekommission seine Heilmethode als unwissenschaftlich. Mesmer gründete „Harmoniegesellschaften“, Heilzentren in ganz Europa, die unter Leitung seiner Schüler standen. Er wurde aus Frankreich ausgewiesen, bekam aber eine Pension zugewiesen und zieht sich in seine alte Heimat am Bodensee zurück.

Dort wird ihm die Genugtuung zuteil, dass die preußische Regierung seinen Animalischen Magnetismus als Heilmethode anerkennt, allerdings ohne den kosmischen Horizont. Es gilt offensichtlich der Grundsatz: Wer heilt, hat recht. Am 5. Mai 1815 stirbt Mesmer in Meersburg und ist dort begraben.

Das soll einer der wirkungsvollsten Schwaben sein? Er war nicht unumstritten, Schopenhauer und Hegel haben sich positiv geäußert, Kant und Friedrich der Große ihn vehement abgelehnt. Mozart hat ihn in „Cosi fan tutte“ zitiert und ein Musikstück für Glasharfe geschrieben. Mesmer hat Dichter der Romantik wie Edgar Allen Poe, E.T.A. Hoffmann und Kleist beeinflusst, sogar einen Goethe in den „Wahlverwandtschaften“. Justinus Kerner hat versucht, sein Erbe zu retten.

Seine „Wirksamkeit“ für die Nachwelt kam auf Gebieten zustande, von denen Mesmer nichts ahnte, die er sogar, als sie aufkamen, ablehnte. Seine Schüler koppelten den Animalischen Magnetismus von den kosmischen Bezügen ab und beschränkten sich auf die Interaktion zwischen Arzt und Patient. Dazu gehören das Sprechen, das Zuhören und die Handberührung, also die charismatische Fähigkeit zur Empathie. So wird Mesmer wider Willen zum Wegbereiter der Psychotherapie sowie der Esoterik und der Homöopathie. Er klammerte sich als Zeitgenosse der Aufklärung an das Fluidum als Materie. Die Sphären des Unbewussten hat er in der Praxis berührt, sie aber nicht erkannt. Auf literarischem Bereich ist seine Bedeutung durch Stefan Zweig und durch die Martin-Walser-Tochter Alissa gewürdigt worden. Es ist und bleibt ein Verdienst dieses außergewöhnlichen Schwaben, diese Anstöße geleistet zu haben, und er hat es verdient, auch in Kirchheim gewürdigt zu werden.