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Ein Zocker wird zum verlorenen Sohn

Theater Zum Freilichtspiel „Die Fresken“ kommen 900 Zuschauer vor die Petruskirche in Jesingen. Für Pfarrer Roland Conzelmann ist es das letzte Mal. Von Monika Läufle

Die Jesinger lieben ihr Freilichttheater und kamen dank der sommerlichen Temperaturen zahlreich vor die Treppen der Petruskirche
Die Jesinger lieben ihr Freilichttheater und kamen dank der sommerlichen Temperaturen zahlreich vor die Treppen der Petruskirche. Fotos: Monika Läufle

Es ist der Traum eines jeden Pfarrers: Hunderte Menschen strömen Richtung Kirche, über alle Generationen. Da stehen Kinderwägen neben Rollatoren, da sieht man Hörgeräte ebenso wie Schnuller. Der Andrang ist so groß, dass sogar Straßen gesperrt wurden. Was die Menschen Richtung Petruskirche zog, ist das Freilichtspiel. Zum achten Mal ist auf den Stufen vor dem Gotteshaus eine biblische Geschichte erzählt worden.

So dient die Kirche an diesem Abend als Künstlergarderobe, während die Zuschauer draußen bleiben. Sie nehmen auf Bierbänken Platz, die Sitzgelegenheit für 800 Menschen bieten. Dass das nicht genug ist, wissen die Jesinger und haben vorsorglich Picknickdecken, Campingstühle oder gleich ihren Bollerwagen mitgebracht. Die Stimmung erinnert an ein Volksfest. Gut eine Stunde bevor das Theaterstück beginnt, ist der Platz voll. Es wird munter geratscht und die Schlange vor dem Essensstand ist lang. Neben Bratwürsten gibt es Kabuli, ein afghanisches Gericht.

Das Stück wird nur ein einziges Mal in Jesingen aufgeführt, umso wichtiger ist es, dass das Wetter mitspielt. Wie im vergangenen Jahr hat die Theatergruppe Glück. „Unser Pfarrer hat eben einen Draht nach oben“, erklären die Schauspieler schmunzelnd. Und so verfolgt das Publikum bei strahlendem Sonnenschein die Geschichte eines Bank-Azubis, der sein Erbe in zwielichtige Cum-Ex-Geschäfte investiert. Zu Beginn wird er schnell reich. Doch als die faulen Machenschaften aufgedeckt werden, landet er erst vor Gericht und dann mittellos in der Gosse. Trotz allem nimmt ihn der Vater am Ende mit offenen Händen auf. Pfarrer Roland Conzelmann wollte etwas Neues ausprobieren. Nach Stücken aus dem alten und dem neuen Testament transferierte er dieses Jahr das Gleichnis des verlorenen Sohnes in die Jetztzeit.

Was die rund zwanzigköpfige Truppe in relativ kurzer Zeit - mit den Proben wurde nach Ostern angefangen - auf die Beine gestellt hat, ist beachtlich. Zwar hätte dem Stück bei einer Länge von drei Stunden eine halbe Stunde weniger gut getan, aber das Publikum belohnt die Szenen und die Tanz- und Gesangseinlagen immer wieder mit Zwischenapplaus und lacht laut bei den vielen Gags. Ebenso überzeugen die liebevoll gestalteten Requisiten. So wurden extra für das Stück einige der Fresken aus der Kirche nachgemalt, damit sie draußen auf der „Bühne“ präsentiert werden konnten. Neben einer goldenen Badewanne gibt es eine lebensgroße „Alexa“. Auch beachtlich, dass das komplette Stück in Reimform geschrieben ist. Seit den letzten Sommerferien hat Pfarrer Roland Conzelmann an dem Stück getüftelt. Sogar die Ansage, wohin die Spendengelder fließen, reimte er.

5 300 Euro Spendengelder

Der Erlös der rund 5 300 Euro kommt zwei Organisationen zugute. Die Modelleinrichtung „Seehaus“ in Leonberg und Leipzig bietet straffällig gewordenen Jugendlichen bei Hauseltern einen Strafvollzug in „freier Form“ und damit eine Alternative zum geschlossenen und offenen Strafvollzug. Der Verein „Eldoret Kids“ unterstützt Straßenkinder in Kenia. Durch das Projekt bekommen sie die Chance, dem Leben auf der Straße zu entkommen.

Ob es auch nächstes Jahr wieder Freilichtspiele geben wird, ist fraglich. Der Initiator und Autor der Stücke verlässt Jesingen. So setzte sich seine Truppe dieses eine Mal über Roland Conzelmanns Wunsch hinweg, denn eigentlich sind dem Pfarrer Danksagungen nicht recht. Doch dieses Mal ließ es sich die Gruppe nicht nehmen und bedankte sich „volle Breitseite“ bei ihrem Pfarrer. Als Dankeschön bekamen er und seine Frau ein Kissen, das aus Stoffen aller bisherige Theaterstücke genäht war. Das sei schließlich, so steht auf dem Kissen „der Stoff aus dem Träume sind.“ Vielleicht steckt der Pfarrer seine neue Gemeinde mit dem Theaterfieber ebenfalls an.

Die Jesinger lieben ihr Freilichttheater und kamen dank der sommerlichen Temperaturen zahlreich vor die Treppen der Petruskirche. Fotos: Monika Läufle