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Ein zwiespältiges Erlebnis

Stuttgarter Kammersinfonisten spielen in der Stadthalle sehr gepflegt

Kirchheim. Mit der Kammersinfonie Stuttgart gastierte ein Ensemble in der Stadthalle, das nach dem Vorbild der „Alte-Musik“-Szene auf

Bernhard Moosbauer

einen Dirigenten verzichtet. Die Leitung übernimmt in solchen Fällen traditionell der Konzertmeister, hier Daniel Rehfeldt. Er war es dann auch, der in Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, Blickfang des Programms, den Solopart übernahm. Neugierde erweckten die beiden anderen Werke des Abends, die selten im Konzert zu hören sind, ein Klavierkonzert Mozarts und der erste Satz einer von Gustav Mahler erstellten Fassung des Streichquartetts „Der Tod und das Mädchen“ von Franz Schubert für Streichorchester.

Der orchestrale Duktus der späten Streicherkammermusik Schuberts, mit der er sich den „Weg zur großen Sinfonie bahnen“ wollte, legt eine Einrichtung dieser Werke für Orchester nahe. Gustav Mahlers Fassung weist bis auf eine sehr delikat hinzugefügte und ebenso ausgeführte Kontrabassstimme kaum Veränderungen zur Vorlage auf. Bei diesem Stück konnte das Orchester seine Hauptmerkmale diszipliniertes Zusammenspiel und gepflegte, homogene Klangkultur demonstrieren. Der Unerbittlichkeit des Werkes und seiner Aufgewühltheit wurde dieser Ansatz jedoch nicht gerecht. Und so legte sich über weite Strecken ein Schleier nobler Blässe über den Satz.

Das Mozartsche Klavierkonzert profitierte von der zurückhaltenden Art bei der Begleitung des Solisten. In den Tutti-Stellen zeigte sich das Orchester auch von seiner zupackenden Seite und wartete mit differenziertem Spiel und variabler Farbgebung auf. Demgegenüber wirkte das Spiel des Solisten aufgesetzt und gesucht.

Man vermisste die den schnellen Ecksätzen eigene Leichtfüßigkeit und Heiterkeit, im langsamen Mittelsatz den großen Atem, das Gesangliche und die dunklen Farben. Lag’s an der Vierfachrolle des Klaviersolisten, der sich auch als launiger Conférencier versuchte und einem Getriebenen ähnlich während seines Solokonzertes zwischen Instrument und Dirigierpult hin und her eilte, um dann in der Pause auch noch am Verkaufsstand seine Aufnahmen zu bewerben? Weniger wäre mehr gewesen. Und dass gerade ein Mozart mangelnde Präzision und Konzentration auf seine Musik nicht ungestraft durchgehen lässt, war hautnah zu erleben.

Dass die Jahreszeitenkonzerte Vivaldis zu den beliebtesten Werken des klassischen Repertoires gehören, kommt nicht von ungefähr. Die Thematik der verschiedenen Jahreszeiten bietet Vivaldi eine willkommene Gelegenheit zur Demonstration seiner brillanten kompositorischen Fähigkeiten. Die vier Konzerte sind gleichsam Miniaturopern und übertragen die unterschiedlichen Schreibweisen auf die Instrumentalmusik. Hinzu kommen das Gegenüber von Tutti und Solo und die damit verbundenen entgegengesetzten Rollen der Beteiligten. Die vom Conférencier fälschlich als Programmmusik apostrophierten Konzerte geben dem Solisten wie dem Orchester Gelegenheit zur Darstellung seines ganzen Ausdrucks- und Farbspektrums.

Dies gelang dem Ensemble aufs Ganze gesehen gut. Der Solist und Leiter des Ensembles, Daniel Rehfeldt, meisterte seinen Part weitestgehend souverän und überzeugte besonders mit warmem und kantablem Ton. Auch hier demonstrierte das Ensemble seine ausgesuchte Klangkultur, insbesondere in den intimen Passagen. Man hätte den Musikern freilich mehr Mut zu „hässlichem“ Spiel und noch mehr Freiheit in der Agogik an den dazu geeigneten Stellen gewünscht. Über die notwendigen technischen Fähigkeiten und die Sicherheit im Zusammenspiel verfügt das Ensemble ja. Also: Nur zu!