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„Eine Aufgabe, vor der ich großen Respekt habe“

Andreas Schwarz ist nach seiner Wahl zum Grünen-Fraktionschef der politische Senkrechtstarter in der neuen Landesregierung

Grün war Andreas Schwarz bei seinem ersten Einzug 2011 in den Landtag nicht nur, was sein Parteibuch betrifft. Fünf Jahre später ist er Fraktionschef.

Ein Kirchheimer als engster Vertrauter des Ministerpräsidenten: Andreas Schwarz nimmt die nächste Sprosse auf der politischen Ka
Ein Kirchheimer als engster Vertrauter des Ministerpräsidenten: Andreas Schwarz nimmt die nächste Sprosse auf der politischen Karriereleiter.Foto: Markus Brändli

Herr Schwarz, was sagt denn Ihre Familie dazu, dass Sie als Fraktionsvorsitzender nun noch seltener zu Hause in Kirchheim sind?

SCHWARZ: Wir haben das natürlich schon im Vorfeld ausgiebig diskutiert. Sie haben sofort gesagt, das ist eine große Chance. Mach das. Sie haben sich für mich gefreut.

Der Fraktionschef muss den Laden zusammenhalten. Sind Sie ein guter Vermittler?

SCHWARZ: Ja. Als solchen sehe ich mich. Als Fraktionsvorsitzender ist man ein Mannschaftskapitän. Ein Taktgeber, der gut kommuniziert, die Kolleginnen und Kollegen einbindet. Der aber auch das grüne Profil nach außen vertritt. Ich habe mir vorgenommen, in der Fraktion grüne Politik zu entwickeln, die Baden-Württemberg jeden Tag ein bisschen besser macht. Ich sehe mich auch als Hüter des Koalitionsvertrags.

Sie vertraten in der politischen Debatte bisher einen sehr moderaten Ton. Werden Sie Ihren Politikstil als Fraktionschef nun ändern müssen?

SCHWARZ: Ich glaube, jemand, der gut vermitteln kann, der gute Konzepte entwickeln kann, der in der Sache streiten kann und im Umgang freundlich bleibt, ist immer gewinnbringend. Wenn man gut mit dem Koalitionspartner zusammenarbeiten kann, ist das in der Sache förderlich.

 

Sie waren nie der ökologische Hardliner. Eher der mit dem Blick fürs Machbare. Ist dies das Profil, das man braucht, um als Grünen-Politiker 2016 erfolgreich zu sein?

SCHWARZ: Ich glaube, das eine schließt das andere nicht aus. Wir haben uns entschieden, für eine innovative Wirtschaft und für eine intakte Umwelt sowie eine offene Bürgergesellschaft einzutreten. Wenn Sie den Koalitionsvertrag anschauen, dann trägt der den Titel verlässlich, innovativ und nachhaltig. Die Nachhaltigkeit kommt natürlich aus grüner Umweltpolitik, geht aber auch auf wirtschaftliche und soziale Aspekte über. So sehe ich auch die Grünen. Als eine Partei der Mitte.

 

Sie waren mit 31 Jahren stellvertretender Fraktionschef. Mit 36 stehen Sie an der Spitze. Was kommt als Nächstes?

SCHWARZ: Gute Frage. Darüber möchte ich mir momentan aber gar keine Gedanken machen. Das Amt des Vorsitzenden der größten Fraktion im Landtag ist für mich ein großer Vertrauensbeweis und eine verantwortungsvolle Aufgabe, vor der ich großen Respekt habe. Dem will ich alle meine Energie widmen.

 

Könnte Sie ein Wechsel in die Bundespolitik reizen?

SCHWARZ: Nein. Was irgendwann einmal sein könnte, das muss man sehen. Aber das steht definitiv nicht auf meiner Agenda.

Die Reaktionen auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten war sehr verhalten. Staatstragend aber wenig konkret, meinten Kritiker. Wie haben Sie es empfunden?

SCHWARZ: Ich fand es eine sehr starke Rede. Vor allem deshalb, weil er sehr deutlich auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt abgestellt hat. Er hat auch das wichtige Zukunftsthema Digitalisierung in den unterschiedlichsten Bereichen wie Wirtschaft, Arbeitswelt, Mobilität zu seinem Thema gemacht. Dadurch hat er natürlich einen starken Fokus auf die Wirtschaftspolitik gesetzt. Das ist für einen Ministerpräsidenten auch wichtig. Schließlich geht es darum, den Wohlstand der Menschen in diesem Land in den nächsten Jahren zu sichern und zwar nicht zu Lasten der kommenden Generationen. Diesen Teil seiner Regierungserklärung fand ich deshalb besonders gut.

 

Gründergeist, Digitalisierung, die Berufung auf Leitbilder ehemaliger CDU-Landesväter – Sind das die Themen, mit denen man die grüne Basis erreicht?

SCHWARZ: Der Ministerpräsident hat auch sehr stark zum Klimaschutz gesprochen. Er hat verdeutlicht, dass sich diese Koalition nicht nur vorgenommen hat, den Ausstieg aus der Kernenergie vollständig umzusetzen, sondern auch bis zur Mitte des Jahrhunderts den Ausstieg aus der Kohle. Das ist ein klares klimapolitisches Signal.

 

Nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages ist es auffallend ruhig geworden um Grün-Schwarz. Ist das die Ruhe vor dem großen Sturm?

SCHWARZ: Ich denke, das war ausschließlich terminlich bedingt. Zuletzt waren Ferien. Da haben viele Kolleginnen und Kollegen nach dem anstrengenden Wahlkampf auch mal Urlaub gemacht. Mitte Juni konstituieren sich die Ausschüsse des Landtages. Dann geht es an die Umsetzung der Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag.

 

Was wird das erste große Thema sein?

SCHWARZ: Wir werden noch vor der Sommerpause mit den Vorberatungen für den Haushalt 2017 beginnen.

Da tun sich, wie man seit einigen Wochen weiß, immer neue Löcher auf. Wird man 2017 ohne neue Kredite auskommen?

SCHWARZ: Das ist unser Ziel.

Ein realistisches Ziel?

SCHWARZ: Ja, das ist ein realistisches Ziel. Ob es uns wirklich gelingt, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Wir haben in diesem Jahr Steuer-Mehreinnahmen von 310 Millionen Euro und uns mit der CDU darauf verständigt, die Schuldenbremse in die Landesverfassung aufzunehmen. Damit verbunden, die Verpflichtung, ab 2020 keinen neuen Kredite mehr aufzunehmen. Ob uns das 2017 gelingt, muss man sehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Land die Kosten für die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen spitz abrechnet, was ins Geld geht.

 

Seit wenigen Tagen ist bekannt, was viele vorausgesagt hatten. Bei Stuttgart 21 wird die Bahn weder Zeitplan noch Kostenrahmen einhalten können. Ist damit der erste Koalitionsstreit vorprogrammiert?

SCHWARZ: Bei diesem Thema gibt es keinen Dissens in der Koalition. Stuttgart 21 ist ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG. Das Land leistet hierzu einen Zuschuss. Im Finanzierungsvertrag steht eine Sprechklausel, die besagt, dass die Vertragspartner miteinander reden müssen, wenn es zu Kostensteigerungen kommt. Daran werden wir uns halten. Mit der CDU haben wir in diesem Punkt eine klare Absprache. Wir bezahlen die 930 Millionen Euro, die im Finanzierungsvertrag stehen und auch Grundlage der Volksabstimmung waren – und nicht mehr.

Die Bahn müsste allein 524 Millionen Euro einsparen, um das Investitionsbudget einzuhalten. Droht nun an manchen Stellen die Billig-Lösung?

SCHWARZ: Im Finanzierungsvertrag steht auch klar, was die Bahn errichten muss. Abstriche an dem, was vereinbart wurde, können und werden wir nicht akzeptieren. Ich bin daher gespannt, was die Bahn im Aufsichtsrat und auch im Lenkungskreis präsentieren wird. Unser Verkehrsminister und auch die Finanzministerin werden jedenfalls sehr darauf achten, dass es an der Funktionsfähigkeit des Bahnknotens keine Abstriche geben wird.

 

In der Bildungspolitik hat sich Ihre Fraktion in den Koalitionsverhandlungen weitgehend durchgesetzt. Das achtjährige Gymnasium bleibt das Standardmodell, ein Ausbau der Gemeinschaftsschule ist weiter möglich. Wie lange hält dieser Schulfriede?

SCHWARZ: In der Bildungspolitik kann mit dieser Einigung Verlässlichkeit und Planbarkeit herrschen. Es bleibt bei dem, was wir vor der Wahl gesagt haben. Dass die Gemeinschaftsschule mit den entsprechenden Deputaten erhalten bleibt, dass auch die Realschule mit den vereinbarten Deputaten und Poolstunden gestärkt wird. Damit haben wir hohe Stabilität im Bildungssystem.

 

Die Landesregierung will bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energien auf 38 Prozent erhöhen. Gleichzeitig droht der Bundeswirtschaftsminister mit dem Ausstieg aus der Windkraft-Förderung im Südwesten. Haben Sie sich da übernommen?

SCHWARZ: Wir sind, was den Windkraftausbau angeht, auf einem guten Weg. Das hat zuletzt etwas gedauert. Es werden inzwischen jedoch mehr und mehr Anlagen genehmigt, auch die Voranfragen nehmen zu. Bis September vorigen Jahres waren 121 Anlagen im Bau. 279 sind beantragt und genehmigt. Damit kann bereits die Hälfte des Ausbauziels bis 2020 erreicht werden. Mit den angekündigten Änderungen auf Bundesebene sind wir noch nicht einverstanden. Wir meinen, es muss der Netzausbau in Richtung Süden und der Ausbau erneuerbarer Energien in Baden-Württemberg parallel vorangetrieben werden. Deshalb werden wir auch nochmals ein 50 000-Dächer-Solarprogramm auflegen.

 

Wie sieht Ihre persönliche Strategie im Umgang mit der AfD aus?

SCHWARZ: Wir behandeln die AfD im Rahmen der parlamentarischen Sitte und der Geschäftsordnung, das heißt absolut korrekt. Was ich zuletzt von dem Abgeordneten Wolfgang Gedeon gelesen habe, der eine Lanze bricht für Holocaust-Leugner, da muss ich sagen, das sind klare antisemitische Töne. Dafür gibt es in Baden-Württemberg keinen Platz. Wir werden Antisemitismus und Diskriminierung in diesem Land nicht tolerieren. Ich erwarte, dass Herr Professor Meuthen für klare Verhältnisse in seiner Fraktion sorgt. Die künftige Parlamentsarbeit wird zum Lackmustest für die AfD. Darin muss sie zeigen, ob sie zum Grundgesetz, zu unseren gemeinsamen Werten, steht oder nicht.

 

Werden Sie Ihre kommunalen Mandate im Kirchheimer Gemeinderat und im Kreistag behalten?

SCHWARZ: Da gibt es noch keine Entscheidung.

 

Sie sind begeisterter Rennradler. Haben sie schon überschlagen, wie viele Jahreskilometer sie der neue Job kosten wird?

SCHWARZ: Wahrscheinlich viele. Da ich auch sehr viele Samstagstermine habe, muss ich schon aufpassen, dass der Sport nicht zu kurz kommt. Gerade beim Rennradfahren hat man ja die Möglichkeit, den Kopf frei zu bekommen oder zu überlegen, wie gehe ich das eine oder andere Thema an. Im Übrigen ist es mit dem Radfahren wie in der Politik: Man braucht Ausdauer.