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Eine Frau singt in Kirchheim Tacheles

Konzert Die bayerische Liedermacherin und Autorin Sarah Straub sorgt in der ausverkauften Bastion für nachdenkliche und mitreißende Momente. Von Anja Schulenburg

Rotes Scheinwerferlicht erhellt die Bühne des Kirchheimer Club Bastion. Zwei Säulen, die leise vibrierend die Luft reinigen, stehen in dem geschichtsträchtigen Gewölbe. Das Publikum unterhält sich angeregt auf den vorgegebenen Plätzen und hält plötzlich den Atem an, als sich Sarah Straub im schwarzen Einteiler und mit leuchtend rotem Haar an ihr Piano setzt und zu spielen beginnt: „Ich singe, weil ich ein Lied hab“ handelt von einem Sänger, dessen klare Stimme für immer verstummt.

 

Kunst und Kultur
machen unser Menschsein aus.
Sarah Straub


„Wir Künstler fragen uns seit zwei Jahren, ob es überhaupt noch Sinn macht, Konzerte zu verschieben und mit diesem Regelchaos weiterzumachen“, geht Sarah Straub an diesem Abend, an dem sie Lieder ihrer CD „Tacheles“ präsentiert, auf die Situation Kulturschaffender in der Corona-Pandemie ein: „Wir sind zum Schluss gekommen, dass uns die Gesellschaft heutzutage mehr denn je braucht, weil wir wieder mehr zusammenstehen müssen. Kunst und Kultur machen unser Menschsein aus“, betont die sympathische Musikerin, die regelmäßig mit Konstantin Wecker auf der Bühne steht, und haut abermals virtuos in die Tasten.

Bei Liedern wie „Mein Glück“ und „Was keiner wagt“ hängen die Zuhörer gebannt an Straubs Lippen und lauschen den wunderschönen Melodien und Geschichten, die die Sängerin mit ihrer glasklaren Stimme erzählt. Tiefsinnig kommen die Liedtexte daher, die promovierte Psychologin scheint den meisten Besuchern im Keller aus der Seele zu sprechen.

„Frau Doktor“ empfiehlt Wein
Und sind die Inhalte auch mal traurig, hat sie dennoch stets einen kessen Spruch auf den Lippen: Mal sind es ihre tollen, positiven Musiker, die leider zum Auftritt nicht mitkommen konnten, oder die obligatorischen, allabendlichen zwei bis drei Gläser Wein, die „Frau Doktor“ empfiehlt – Sarah Straub bringt ihr Publikum mit Charme und bayerisch-schwäbischem Dialekt schnell wieder zum Schmunzeln.

Der gesamte Abend gleicht einer musikalischen Achterbahnfahrt mit viel Gefühl: auf Konstantin Weckers Mitgröl-Hymne „Du bist so hässlich“ folgt Rio Reisers „Der Traum ist aus“. Die Eigenkomposition „Schrecklich schönes Leben“ sowie „Schwalben“ als Hommage an pflegende Angehörige Demenzkranker, treiben den Zuhörern die Tränen in die Augen – die jedoch zum temperamentvollen Song „Lass es raus“ sofort wieder versiegen.

Nah, intim und ehrlich
Es ist ein ganz besonderes Konzert: so nah, so intim und so ehrlich. Die deutschen Texte greifen förmlich nach dem Publikum und reißen es mit. Dadurch gewinnt das Publikum immer mehr die Erkenntnis, dass Sarah Straub eine Ausnahmekünstlerin mit unglaublich vielen Facetten ist, eine starke, mutige Frau, die ungeschminkt aus ihrem Leben erzählt und dazu aufruft, das Schicksal in die Hand zu nehmen und etwas Positives daraus zu machen:

„Ich wurde Psychologin, weil ich die schreckliche Erkrankung meiner geliebten Großmutter verstehen wollte. Ich benutze meine Erfahrung und meine Fähigkeiten und kämpfe im Kleinen für eine Welt, in der jeder Mensch, egal ob gesund oder krank, ein gutes Leben haben kann“, erklärt sie.
Mit Weckers Worten „Wo alles dunkel ist, macht Licht, wo alle zweifeln, wagt zu glauben“ bedankt sie sich bei ihren Zuschauern und den Bastionsbetreibern für den besonderen Abend und verabschiedet ein beseeltes Publikum mit Reinhard Meys „Gute Nacht, Freunde“ in den Abend.


Sarah Straub ist Musikerin und promovierte Psychologin zugleich. Während des Lockdowns 2020 nahm sie das Album „Tacheles“ auf. Straub liebt die Bühne genauso wie ihre Arbeit mit Angehörigen von Demenzkranken. 2021 erschien ihr erstes Buch „Wie meine Großmutter ihr Ich verlor“. Es ist im Buchhandel erhältlich.