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Eine Himmelsleiter führt zur Kunst

Vernissage Die Initiative Mahlwerk zeigt die Ausstellung „fund.stücke“ des Kirchheimer Künstlers Bertl Zagst in der Galerie der Stadt Plochingen. Dabei sind zahlreiche Spuren des Vielreisenden zu entdecken. Von Petra Bail

Taschentücher dienen Bertl Zagst als Basis für Kunstwerke. Seine Stoffarbeiten bezeichnet er als „Faltungen“. Foto: Petra Bail
Taschentücher dienen Bertl Zagst als Basis für Kunstwerke. Seine Stoffarbeiten bezeichnet er als „Faltungen“. Foto: Petra Bail

Die steilen Stufen in die Galerie der Stadt Plochingen sind eine Art Himmelsleiter zur Kunst von Bertl Zagst. So sieht es Martin Schalhorn in Anlehnung an E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Serapionsbrüder“, in der er über das Fantastische und Wunderbare im Alltäglichen reflektiert. Dieses Fantastische und Wunderbare entdeckt der frühere Lehrerkollege des pensionierten Kunsterziehers Zagst in dessen Ausstellung „fund.stücke“. Die Initiative Mahlwerk zeigt die Werke in der städtischen Galerie Plochingen.

Der aus Kirchheim stammende Bertl Zagst war 2003 schon einmal in Plochingen mit sperrigen Booten vertreten, teils schwierig unterzubringen. Jetzt hält er in komponierten Fotografien die Eindrücke seines räumlichen Umfelds mit der Kamera fest, entwickelt sie am PC fantasievoll weiter. Aber auch Zeichnungen, Drahtobjekte und Stoffbilder - allesamt in handlichen Formaten - sind zu sehen.

Bertl Zagst ist ein leidenschaftlicher Reisender, einer mit scharfem Blick, den er gerne auch auf den Boden richtet, auf die Straße, den Asphalt. In Paris, Denkendorf, Mantua und New York nimmt er Dinge wahr, über die andere achtlos hinweggehen. Auf dem Gehweg und der Fahrbahn sieht er im rissigen, aufgeworfenen Belag „ein arabeskes Straßentattoo“, wie es Schalhorn ausdrückte.

Die Weiterentwicklung dieser „Teerspuren“ sind die rankenden Objekte aus Eisendraht auf weißem Grund - ornamentale Linien, dreidimensional nachgebildet, die je nach Lichteinfall widergespiegelt werden und ein Eigenleben entwickeln. Illusionen werden erzeugt, je nach Standpunkt der Betrachter und deren Vorstellungsvermögen. Traumlandschaften findet Zagst auch im Estrich einer New Yorker Buchhandlung. „Strand“-Arbeiten im zweiten Obergeschoss sind feine Zeichnungen, basierend auf fotografischen Vorlagen, wobei Zagst Formen aus dem Zement „herausstreichelt“.

Was fängt man mit alten Handtüchern, nicht mehr benutzten Taschentüchern und veralteten Verbandspäckchen an? Zu schade zum Wegschmeißen fand offenbar Bertl Zagst. Dem Künstler dienen die von ihm bunt eingefärbten Gewebe als Basis für Stoffarbeiten, „Faltungen“, wie er sie wegen der Technik nennt, die markante farbliche Strukturen auf dem unterschiedlichen Gewebe erzeugen - auch hier wieder das vergnügliche Spiel mit Illusion und Wirklichkeit. Der Fantasie der Betrachter sind keine Grenzen gesetzt. In den „Stoffgärten“ sprießt eine ornamentale Formenvielfalt, blühen zarte organische Strukturen. Deutlich sichtbar sind die Impulse der arabischen Kultur, die der 69-Jährige auf zahlreichen Reisen durch Länder wie Jordanien, Syrien, Türkei und Jemen unternommen hat. Zagst, der einige Jahre in Kairo gelebt hat, lässt nicht nur in den „Taschentüchern“ fantasievoll gestaltete Zeichen und Spuren der Rankenornamente aus der islamischen Kunst anklingen.

Für Martin Schalhorn schafft der Künstler „ein Plädoyer für die Fantasie als Pendant der Wirklichkeit“. Man müsse nur bereit sein, die in der Wirklichkeit stehende Leiter zu besteigen, um ins Reich der Fantasie zu gelangen, dann werde aus einem alltäglichen Raum ein überwältigendes Zauberreich.

 

Info Die Ausstellung ist noch bis zum 14. Dezember in der Galerie der Stadt Plochingen zu sehen. Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch und Samstag von 10 bis 13 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 10 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 16 Uhr.