Weilheim · Lenningen · Umland

Eine Kanne Kesselbrühe und Leberwurst für die Nachbarn

Erinnerungen Hausschlachtungen und Metzelsupp‘, das gehörte früher in Schlierbach dazu. Auch Nachbarn hatten was davon. Von Doris Weigele, Waltraud Wild und Werner Kick

Um 1940 entstand dieses Bild von einer Hausschlachtung. Das Schwein wurde komplett verwertet.Foto: Schlierbacher Geschichten
Um 1940 entstand dieses Bild von einer Hausschlachtung. Das Schwein wurde komplett verwertet.Foto: Schlierbacher Geschichten

Wenn man heute Fleisch oder Wurst will, geht man einfach zur Metzgerei oder an die Wurst- und Fleischtheke im Supermarkt. Das war früher natürlich nicht so. Bauern und auch Privatleute zogen selbst Schweine auf, die dann im Spätherbst geschlachtet wurden – und zwar zu Hause. So ist es jetzt nachzulesen in der neunten Ausgabe der „Schlierbacher Geschichten“.

Am Tag vor der Schlachtung musste das Metzgergeschirr in dem Haus abgeholt werden, in dem zuletzt geschlachtet wurde. Das Geschirr bestand aus einer Mulde, einer Wanne, einem Schragen, das ist ein leicht gewölbter Tisch, einem Galgen, einem Rechen, der eine Art Schaumlöffel darstellte, einem Haubeil und einem Fleischwolf.

Jeder Metzger hatte sein Geheimrezept

Das Gewürz für die Wurst brachte der Metzger mit. Jeder Metzger hatte natürlich so sein Geheimrezept. Das Schwein wurde in den 30er-Jahren noch mit der Axt erschlagen. In den 40er-Jahren wurde dann der Schussapparat verwendet. In der Wanne wurde das Tier mit heißem Wasser gebrüht und die Borsten mit einem kegelförmigen Metallschaber, der sogenannten Glocke, abgeschrubbt. Danach hängte man es an den Galgen, und der Metzger nahm es aus.

Nachdem der Fleischbeschauer das geschlachtete Schwein begutachtet und erklärt hatte, dass es frei von Trichinen und Finnen des Bandwurmes sei, wurde das Untersuchungsergebnis auf dem Schlachtschein eingetragen, den man sich zuvor auf dem Rathaus besorgen musste.

Der Metzger zerlegte mit dem Haubeil das Schwein und schnitt die Knochen heraus. Dann wurde der große Waschkessel angeheizt und darin das Salzwasser für das Kesselfleisch erhitzt. Nebenher putzte man die Därme, schnitt den Speck und dämpfte die Zwiebeln. Das Fleisch und die anderen Zutaten drehte man durch den Wolf und füllte die Därme damit. Blut- und Leberwurst wurden in der Kesselbrühe gekocht. Wenn Würste geplatzt waren, schmeckte die Metzelsuppe besonders gut.

Es war Brauch, dass man Verwandten und Nachbarn in Milchkannen Kesselbrühe brachte, dazu ein Stück Kesselfleisch und vielleicht noch eine Leber- und eine Griebenwurst. Dosen wurden mit Grieben-, Leber- oder Weißer Presswurst gefüllt, rund zwei Stunden im Waschkessel gekocht und dann in kaltem Wasser gekühlt.

Man fütterte die häuslichen Schweine sehr gut, damit sie möglichst viel Speck ansetzten. Sie wogen üblicherweise zwischen drei und vier Zentnern. Diesen Speck musste man dann in zwei bis drei Zentimeter große Würfel schneiden und „auslassen“. Der intensive Duft des ausgelassenen Fetts erfüllte das ganze Haus, denn einen Dunstabzug gab es damals nicht.

Das so gewonnene Schmalz füllte man in lasierte Tontöpfe ab, sogenannte Schmalzhäfen, und so konnte es aufbewahrt werden. Mit Schmalz wurde alles zubereitet. Es musste reichen, bis wieder geschlachtet wurde. Ein Nebenprodukt vom Schmalzauslassen waren die Grieben. Sie waren sehr begehrt. Auch die trug man aus, und sie wurden schon sehnsüchtig erwartet. Ende der 40er-/Anfang der 50er-Jahre machten die Metzger keine Hausschlachtungen mehr, sondern holten das Schwein, das einen Tag nichts zu fressen bekommen hatte, ab. Nun fand das Schlachten in der Metzgerei statt.

Was geschah aber, wenn ein Tier im Stall verendete oder notgeschlachtet werden musste? Auch für diesen Fall hatte die bäuerliche Gemeinschaft eine Lösung parat. Es gab einen Ortsviehversicherungsverein, der dem Tierhalter den Schaden durch den Verlust zumindest teilweise ersetzte. Das Fleisch wurde, sofern es zum Genuss tauglich war, verwendet. Entweder durch den Verkauf an die Freibank oder durch einen Fleischabnahmeverein auf Gegenseitigkeit.

Die Freibank diente dem Verkauf von minderwertigem Fleisch

Die Freibank war eine Einrichtung zum Verkauf von minderwertigem, aber nicht gesundheitsschädlichem Fleisch, das in der Fleischbeschau als „bedingt tauglich“ eingestuft wurde. Freibankfleisch stammte aus der Schlachtung von Tieren, die eigentlich nicht für die Schlachtung bestimmt waren, das heißt, die durch Unfälle oder Notschlachtungen zu Tode gekommen waren. Die Preise waren hier durchgehend niedriger als in den übrigen Verkaufseinrichtungen. Die Verwertung älterer Tiere war möglich, aber nicht die Regel, sondern es wurden mehr jüngere Tiere verarbeitet, die verunglückt waren oder deren tierärztliche Behandlung wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll war.

Die veterinärmedizinischen Untersuchungen für Fleisch, das in der Freibank verkauft wurde, waren erheblich gründlicher als bei allen Normalschlachtungen. Dadurch war es auch möglich, Fleisch in hervorragender Qualität zu minimalem Preis in der Freibank zu erwerben. Für die Fleischabnahme schellte der örtliche Büttel, wenn geschlachtet worden war. Dann durften sich zuerst die Vereinsmitglieder bedienen, bevor die übrigen Einwohner Fleisch erwerben konnten. Neid und Streitigkeiten blieben bei der Vergabe nicht aus, konnten aber meistens für alle zufriedenstellend ausgeräumt werden.