Kirchheim. Den Anfang hatte im Februar der Garten gemacht. Die Brückenhausmitarbeiter wussten vom nahenden Abschied, doch dann begann die Rodung des Gartens ohne jede Vorankündigung. „Das war ein emotionaler Tiefschlag“, sagt Lempp. „Wir sind traurig, dass wir nicht feiern konnten, solange Haus und Garten noch intakt waren“, sagt Willi Kamphausen, Erster Vorsitzender des Brückenhauses. „Es war ein schöner Garten, er hat sogar einen Umweltpreis des BUND gewonnen.“
Über noch etwas klagt Kamphausen: „Es war fast eine Überforderung, geregelte Schulsozialarbeit zu leisten und parallel noch einen Umzug durchzuführen.“ Denn die Hilfe der Stadt sei „sehr zurückhaltend“ gewesen. „Wir haben zehn Container mit Material abgefahren.“ Manches musste aus Platzgründen weggeworfen werden.
Die neuen Büroräume des Vereins sind in der Hausmeisterwohnung der Jesinger Schule untergebracht. Dort gibt es aber kein Lager und keine Veranstaltungsräume, sondern nur Büros. Früher nahmen die drei Garagen beim Brückenhaus sehr viel Material, auch Spielmobil und Traktor auf, nun ist alles auf mehrere Standorte verteilt. „Dadurch geht irre viel Zeit drauf“, sagt die Jugendbegleiterin Brigitte Wetzel. „Uns fehlt ganz arg viel Heimat“, sagt sie zum Abschied vom Brückenhaus.
Das Haus war bei Jugendlichen sehr beliebt, nicht nur wegen des Kellertreffs und des Cafébetriebs im Erdgeschoss. Zeitweise fand fast jedes zweite Wochenende eine Party statt – ob Klassenparty oder Familienfeier. Es gab keine nahen Nachbarn und keine wertvolle Einrichtung, auf die man zu sehr aufpassen musste.
Saidi Oussama gewann der Abschiedsparty auch etwas Positives ab: „Das Wiedersehen macht uns glücklich, das verbindet uns, viele waren als Kinder hier.“ Er freute sich über den Einsatz der Sprayer. Die „40 Jahre“-Beschriftung über dem Eingang wurde ein echtes Kunstwerk. Gegen eine Spende von fünf Euro gab es Dachziegel mit dem Brückenhaus-Logo zum Mitnehmen. Im Erdgeschoss spielte die Lynette Haynes Band, im Obergeschoss waren ein Buffet auf Biertischen und eine Bildergalerie zu finden.
Nicht jeder fand seinen Weg zur Feier: Manche Freunde des Brückenhauses kamen bewusst nicht, sie waren zu bewegt und ersparten sich den Anblick des leeren Hauses. Auch Familie Mortuaire verbindet mit ihm viele Erinnerungen: Er kam Anfang der 1980er-Jahre schon im Grundschulalter her, sie erstmals als 14-Jährige. Der Kontakt blieb, die Mutter half beim Kinderferienprogramm, inzwischen nehmen die eigenen Kinder daran teil.
„Bei mir fallen 28 Jahre berufliche Heimat weg“, sagt die Schulsozialarbeiterin Ingrid Reick. „Das hat für uns etwas Identitätsstiftendes gehabt.“ Oft kam sie kurz mal her. „Nach Jesingen fährt man nicht so einfach geschwind hin, dass muss man planen.“ Auch der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Imke Lehmann fällt der Abschied schwer. „Man ist darin groß geworden. Das Haus leer zu sehen, ist traurig, weil es nichts Neues gibt.“
Isabel Fischer hat gemeinsam mit anderen Jugendlichen eine Online-Petition gestartet. Sie will, dass der Übergangsstandort nicht bleibt. Sie wünscht sich „einen neuen Standort in der Kernstadt mit Büro, Lager und Veranstaltungsraum“. Die Liste der mehr als 1 400 Unterzeichner, darunter 849 Kirchheimer, will sie gerne der Oberbürgermeisterin persönlich übergeben. „Jetzt sind wir gespannt, wie es weitergeht.“
Wie es direkt am Brückenhaus weitergeht, ist klar. Der Bagger war schon vor der Abschiedsparty erstmals da, wegen der Gasleitung. Und er kommt bald wieder zum Abriss. Am Platz des Brückenhauses wird die Krankenkasse BKK Scheufelen bauen.
„Das war eine gute Zeit hier, wir haben viele Jugendliche begleitet“, sagt Lempp. Der Verein behalte seinen Namen, seine Identität hänge an diesem Haus: „Es war ein Haus, das Brücken baut. Eine Anlaufstelle für Fragen, die das Leben mit sich bringt.“ Doch eines weiß er ebenfalls: „In dieses Haus wurde 40 Jahre lang nichts investiert, es war eine absolute Energieschleuder.“