Weilheim · Lenningen · Umland
Eine Weilheimerin startet mit 78 Jahren nochmal neu

Brand Durch das Feuer am 2. Dezember hat die Weilheimerin Helga Kraft ihre Wohnung verloren. Zurück kann und will sie nicht mehr. Jetzt sucht sie eine altersgerechte Wohnung, was gar nicht so leicht ist. Von Thomas Zapp

Der Brand des Mehrfamilienhauses in der Weilheimer Egelsbergstraße, der ein Todesopfer forderte, ist mittlerweile mehr als einen Monat her: Aber der Schock sitzt Helga Margarethe Kraft noch heute in den Knochen. „Ich bin von einem Riesenknall aufgewacht“, erzählt sie. Die Quelle des Lärms: ein heruntergefallener Rollladen in ihrem Wohnzimmer. Doch nicht nur das entdeckte sie, hinter dem Fenster leuchtete es orange.

Schnell wurde ihr klar: In der Wohnung unter ihr brannte es lichterloh, der Rollladen hatte sich durch die Hitze gelöst. „Ich rief die Notrufzentrale an und die Frau sagte mir nur, ich solle sofort das Haus verlassen“, erinnert sie sich. Durch das Treppenhaus gelangte die glücklicherweise fitte 78-Jährige schnell nach draußen und stand dann morgens um 5 Uhr barfuß im Schnee.
 

Das ist meine Heimat.
Helga Kraft will in Weilheim bleiben.

 

Helfer des Roten Kreuzes kümmerten sich sofort um sie und brachten sie in das Gemeindeshaus. „Pfarrer Schlatter hatte schon eingeheizt und es gab heißen Kaffee und Brezeln.“ Helga Kraft bekam Sandalen und einen Morgenmantel. „Ein Feuerwehrmann ist mit einem Atemschutzgerät in das Haus gegangen und hat mir meine Brille, mein Handy und mein Portemonnaie geholt“, erinnert sich die Seniorin voller Dankbarkeit.

Doch auf die Erleichterung folgte eine bittere Erkenntnis: Die Wohnung, in der sie seit 2019 zur Miete wohnte, wird sie in absehbarer Zeit nicht mehr bewohnen können. „Die Kleidung im Schrank kann man reinigen“, sagt sie. Aber alles, was dem Rauch ausgesetzt war, ist unbrauchbar geworden, sämtliche Möbel, rund 200 Bücher und Bilder sind zerstört. Auch eine wertvolle Schlaguhr ist nicht mehr zu retten, ebenso wenig wie der hochwertige Holztisch und die erst 13 Jahre alte Küche. „Ich dachte erst, den Tisch kann man noch reinigen, aber die Unterseite ist komplett verkohlt“, sagt sie. Zwar hat Helga Kraft eine Hausratversicherung, aber bis die Werte dokumentiert und gegengerechnet sind, wird noch einige Zeit ins Land ziehen. 

Noch am selben Morgen des Unglücks war Bürgermeister Johannes Züfle vor Ort erschienen, um zu helfen. Aber er musste allen Bewohnern mitteilen, dass es aktuell keine freien Wohnungen in der Gemeinde gibt, lediglich in der Flüchtlingsunterkunft wäre ein Platz frei. Doch die aktive Seniorin ist gut vernetzt. „Drei Wochen habe ich bei lieben Menschen wohnen dürfen, in einem eigenen Zimmer mit Bad, dafür bin ich unendlich dankbar“, sagt sie glücklich. Über weitere Kontakte in der Stadt wohnt sie aktuell in einer Ferienwohnung in Häringen. Das ist ihr kleines Glück im Unglück: „Mein Netzwerk hat mich überrascht und glücklich gemacht“, betont die langjährige Leiterin der Kita Lerchenstraße.

Doch nun will Helga Kraft wieder etwas Eigenes haben, ein neues Zuhause schaffen. In die alte Wohnung, die sie so sehr geliebt hat, will sie nicht mehr zurück, die Erinnerung an die Katastrophennacht würde sie nicht loslassen, glaubt sie. „Am Ende sitze ich im Bett und schreie. Außerdem sei die Drei-Zimmer-Wohnung dann doch etwas zu groß gewesen. „Ich würde mich gerne verkleinern“, nutzt sie die Chance für einen Neuanfang.

Die 78-Jährige ist fit und fühlt sich noch zu jung für eine Seniorenresidenz, abgesehen von den Kosten, die auf sie zukommen würden. Und Helga Kraft hieße nicht Kraft, wenn sie ihr Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen würde. Ihr erster Versuch: eine Zeitungsannonce. „Für meinen Neubeginn suche ich langfristig eine altersgerechte Zwei- bis Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss oder mit Aufzug“. Darauf hat es bislang aber kaum Resonanz gegeben, Wohnraum ist auch in Weilheim knapp.

Sollten alle Stricke reißen, könnte sie zur ihrer Familie nach Aalen ziehen. Aber das will sie nicht. „Ich lebe seit 52 Jahren in Weilheim. Das ist meine Heimat.“